Obergrenzen und Wartelisten dürfen bei Menschenrechten keine erlaubten Mittel zur Lösung politischer Probleme sein – auch nicht im Behinderten- und Sozialbereich. Ein Kommentar von Thomas Stix.
In der „Flüchtlingskrise“ ist Österreich mit dem heutigen Asylgipfel der Regierungskoalition (siehe Artikel auf derstandard.at) an dem Punkt angelangt, der vorher noch von den meisten Politikern undenkbar gewesen ist: eine Obergrenze für das Menschenrecht auf Asyl festzulegen, Menschen abzuweisen, die Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen.
Verfassungsrechtler und andere juristische Experten weisen darauf hin, dass in einer Demokratie eine solche Vorgehensweise nicht möglich ist. Menschenrechte können nicht selektiv gewährt werden. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Koen Lenaerts, etwa äußerte sich (siehe Artikel auf derstandard.at) kürzlich zu diesem Thema:
„Immer wenn jemand asylberechtigt ist, hat er nach dem Unionsrecht das Anrecht darauf, als Flüchtling anerkannt zu werden“.
„Das ist schwer vereinbar mit irgendeiner Zahl oder Obergrenze.“
Was jetzt in der Flüchtlingsfrage also zur Realität werden droht, ist im Sozialbereich längst etwas ganz Normales. Von den Medien und Juristen wird es lediglich nicht wahrgenommen: Was da „Obergrenze“ heißt nennt man im Behindertenbereich „Warteliste“. Es handelt sich in beiden Fällen um das gleiche: Ab einer gewissen Anzahl ist Schluss mit der Gewährung einer Förderung oder Zuteilung eines Wohnplatzes, auch wenn die Voraussetzungen zu 100% zutreffen.
In Oberösterreich kämpft die Selbstbestimmt Leben Bewegung seit Monaten gegen diese Ungerechtigkeit. Das Thema „Wartelisten“ ist dort besonders eklatant. Es besteht nämlich lt. Chancengleichheitsgesetz in Oberösterreich theoretisch ein Anspruch auf einen Wohnplatz oder auf Persönliche Assistenz, in Landesverordnungen sind die Budgets dafür jedoch derart knapp bemessen, dass Hunderte behinderte Menschen oft Jahre auf die Erfüllung ihrer Ansprüche warten müssen.
Mit einer ähnlichen Situation sehen sich behinderte Menschen konfrontiert, die in Wien einen betreuten Wohnplatz brauchen. Sie erhalten vom Fonds Soziales Wien zwar eine Zusage für die Finanzierung eines Wohnplatzes, müssen aber dann feststellen, dass keiner der Anbieter einen adequaten Wohnplatz zur Verfügung stellen kann, da alle Plätze belegt sind.
In der Behindertenrechtskonvention sind die Rechte für behinderte Menschen auf Betreuung und Persönliche Assistenz als Menschenrechte definiert so wie in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EU-Grundrechtecharta für Menschen auf der Flucht das Recht auf Schutz vor Verfolgung.
Es darf daher weder da noch dort „Obergrenzen“ oder „Wartelisten“ geben, die Menschen willkürlich von der Inanspruchnahme ihrer Rechte ausschließen! Die politisch Verantwortlichen müssen Lösungen finden, die es allen anspruchsberechtigten Personen ermöglicht, ihre Menschenrechte in vollem Umfang wahrzunehmen.
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 26.01.2016
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
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