Als Konsequenz soll SPÖ-Pöchhacker nicht ins Hundstorfer-Wahlkampfteam aufgenommen werden. Satire ist wichtig – es kommt aber auf den Zusammenhang an.
Was den SPÖ-Funktionär Paul Pöchhacker dazu veranlasst hat, per Twitter das alte Wiener „Krüppellied“ ausgerechnet dem Dritten Nationalratspräsidenten und FPÖ-Behindertensprecher Norbert Hofer, der seit einem Unfall 2003 selbst behindert ist, zu widmen, darüber hüllt sich Pöchhacker in Schweigen. Dass dies ein besonderer Akt der Unhöflichkeit gewesen ist, gesteht er später selber ein und entschuldigt sich „aufrichtig für diese Grenzüberschreitung zwischen Scherz und Geschmacklosigkeit und wollte niemanden verletzen“ (Quelle: heute.at).
„Krüppellied“ – Persiflage auf Umgang mit Behinderung
Bekannt ist insb. die Interpretation des Krüpellieds durch Helmut Qualtinger und André Heller (Link Youtube). Klar ist, dass es bei diesem Wienerlied nicht darum geht, behinderte Menschen zu verspotten. Es geht darum, den Menschen auf satirische Weise einen Spiegel vorzuhalten, welchen Umgang die Gesellschaft mit dem Thema Behinderung pflegt, nämlich einen zwischen Abneigung, Mitleid, Scham und Schadenfreude.
Refrain „Krüppellied“:
Krüppel ha’m so was rührendes.
Krüppel ha’m was verführendes.
Wenn ich so einen Krüppel seh‘,
wird mir ums goldne Wienerherz
recht warm und weh.
Insb. Großevents wie „Licht ins Dunkel“, wo das Hauptaugenmerk auf die Bedürftigkeit behinderter Menschen gelegt wird, und welche hauptsächlich den Zweck erfüllen, dass sich die Menschen von ihrem schlechten Gewissen freikaufen können, beweisen, wie aktuell der Inhalt dieses Liedes in Österreich noch immer ist.
Eklat zieht weite Kreise
Diese Aktion Pöchhackers veranlasste schließlich sogar den Kandidaten für das Bundespräsidentenamt, Rudolf Hundstorfer, sich öffentlich für den Fehltritt seines Parteikollegen zu entschuldigen (Quelle: derstandard.at). Hundstorfer, der erst kürzlich sein Amt als Sozialminister an Alois Stöger übergeben hatte, muss sich in seinen ersten Tagen als Bundespräsidentschaftskandidat nun schon mit einer unangenehmen Schlammschlacht auseinandersetzen. Pöchhacker soll als Konsequenz jedenfalls nicht in das Wahlkampfteam Hundstorfers aufgenommen werden.
Satire – auf den Zusammenhang kommt es an
Satirische, ironische, zynische Werke oder Beiträge polarisieren oftmals. Und weder Autoren noch Interpreten können beeinflussen, in welchem Zusammenhang ihre Werke verwendet werden. Das „Krüppellied“, der Gesellschaft als Spiegel vorgehalten, ist eine Mahnung und soll zum Nachdenken über den Umgang mit behinderten Menschen anregen.
Wird es jedoch einem behinderten Menschen durch einen nicht-behinderten Menschen öffentlich gewidmet, so gleicht das sehr wohl einer Verspottung. Gerade einem Politiker, der in der Öffentlichkeit steht, sollte es bewusst sein, dass sich dadurch auch andere behinderte Menschen verletzt fühlen können.
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 18.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Behindertenpolitik, News
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