„Licht ins Dunkel“ behindert Menschen. Argumente für eine Abschaffung und warum das trotzdem nicht getan wird… hier aufgeschrieben von Thomas Stix.
Ich bin ein Mensch mit Behinderung, oder korrekt gesagt: ein behinderter Mensch. Was mich behindert? Mich behindert zum Beispiel eine Medienkampagne wie „Licht ins Dunkel“, die behinderte Menschen als Bittsteller präsentiert, um ein paar mickrige Euros zu lukrieren. Mich behindert das, weil die Menschen, mit denen ich in Kontakt komme, deswegen mir gegenüber mit Vorurteilen behaftet sind. Behinderung bekommt durch diese unsägliche Kampagne ein weinerliches, höchst negatives Image, von dem jede/r Abstand halten will. Behinderte Menschen werden nicht als gesellschaftliche Wesen mit Rechten dargestellt sondern als außerhalb der Gemeinschaft stehende hilfeempfangende, voller Dankbarkeit Existierende.
Wir behinderten Menschen brauchen „Licht ins Dunkel“ nicht, daher fordere ich die Abschaffung dieser Kampagne!
Das Geldargument
Die Nichtbehinderten, die am Verbleib dieser Kampagne interessiert sind, argumentieren damit, dass das viele Spendengeld für das Behindertenwesen in Österreich unbedingt notwendig sei.
Sieht man sich die Fakten an, schaut die Welt anders aus: An den Gesamtausgaben für Behindertenhilfe in Österreich, die ca. 2 Mrd. Euro im Jahr (das Pflegegeld nicht mal zur Gänze eingerechnet) ausmachen, ist der „Licht ins Dunkel“-Beitrag von ca. 10 Mio. verschwindend gering (0,5 Prozent).
Würde man nun die gesamte Werbezeit und -fläche (TV, Radio und Plakate), die mit Licht-ins-Dunkel-Content verschwendet wird, mit herkömmlicher Werbung befüllen und diese Einnahmen einem Fonds geben, könnte damit bestimmt ein Großteil des Betrags, der derzeit durch Spenden eingenommen wird, hereinkommen.
Das Medienpräsenzargument
Andere Nichtbehinderte, die am Verbleib dieser Kampagne interessiert sind, argumentieren wiederum damit, dass „Licht ins Dunkel“ gut dafür sei, Menschen mit Behinderung in den Medien positiv darzustellen.
Der Spagat, einen Menschen, der ein Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft hat, mittels einer Bittsteller-Kampagne positiv darzustellen, kann jedoch nicht gelingen. Man nennt sowas auch ein Paradoxon.
Mein Vorschlag: eine Behindertenredaktion im ORF. Ein Redaktionsteam von behinderten Menschen erarbeitet eine wöchentliche Sendung (ähnlich z.B. der „Orientierung“). Darüber hinaus kommen Berichte der Behindertenredaktion auch in den Tagesnachrichten vor.
Behinderte Menschen wären dann ein ganzes Jahr über mit ihren Themen in den Medien präsent, nicht nur zur seligen Weihnachtszeit auf die Art und Weise, wie Nichtbehinderte das gerne sehen: bittend, dankend, glücklich und gottseidank nicht zu nahe!
Rechte herschaffen – „Licht ins Dunkel“ abschaffen!
Die UN-Behindertenrechtskonvention fordert in Artikel 8 (1) b:
Klischees, Vorurteile und schädliche Praktiken gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich aufgrund des Geschlechts oder des Alters, in allen Lebensbereichen zu bekämpfen
Die Konvention in Artikel 8 (2) fordert geeignete Maßnahmen, wie…
a) die Einleitung und dauerhafte Durchführung wirksamer Kampagnen zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit mit dem Ziel,
i) die Aufgeschlossenheit gegenüber den Rechten von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen,
ii) eine positive Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein ihnen gegenüber zu fördern
Die Aktion „Licht ins Dunkel“ erreicht solche Ziele sicher nicht, sondern bewirkt das Gegenteil davon.
Ich fordere daher nochmals: „Licht ins Dunkel“ abschaffen!
Naja, und warum wird das nicht getan…? Weil die Nichtbehinderten zu Weihnachten gerne arme, behinderte Hascherln sehen wollen, und dann fühlen sie sich gut, wenn sie ein paar Euro gespendet haben, und dann freut es sie, dass sie nicht behindert sind. Und am besten haben’s die, die am Spendentelefon mit einem Promi oder gar mit dem Bundespräsidenten reden können!
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 19.12.2016
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News, Selbstbestimmtes Leben
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