Der Klagsverband wird heuer 20 Jahre alt, und dieses Jubiläum wurde ordentlich gefeiert: Bei einer Festveranstaltung im österreichischen Parlament wurde auf Erfolge und Errungenschaften zurückgeblickt. Gleichzeitig wurde der Moment auch genutzt, um Herausforderungen zu betonen, und wichtige Forderungen für die Zukunft zu formulieren.
Am 24. Mai 2024 wurde, auf Einladung von zweiter Nationalratspräsidentin Doris Bures, das 20-Jahre-Juniläum des Klagsverbands gefeiert. Dieser setzt sich somit seit zwei Jahrzehnten für die Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern und für die Weiterentwicklung des Rechts auf Gleichstellung und Antidiskriminierung in Österreich ein.
Ungefähr zur gleichen Zeit der Gründung des Klagsverbands wurde der Diskriminierungsschutz in Österreich wesentlich ausgeweitet. Seither sind neben Benachteiligungen auf Basis des Geschlechts sind auch Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, der Herkunft, der Religion oder Weltanschauung sowie des Alters in der Arbeitswelt verboten. Kurz darauf folgte der Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen.
Im Zuge der Veranstaltung äußerten sich Vertreter:innen der Mitgliederorganisationen des Klagsverbandes, darunter die Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft Sandra Konstatzky, die Behindertenanwältin Christine Steger und der Vorstandvorsitzende des Klagsverbands Christopher Frank, zu brennenden Fragen zum Thema. Die Leiterin der Rechtsdurchsetzung im Klagsverband, Theresa Hammer, illustrierte anhand von konkreten Fällen die Umsetzung der strategischen Prozessführung im Antidiskriminierungsrecht. Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion formulierten Vertreter:innen von sieben der 69 Mitgliederorganisationen des Klagsverbands Forderungen für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft in der Zukunft.
Die Expert:innen sahen noch einigen Handlungsbedarf und traten insbesondere für einen gesetzlichen Mindestschadenersatz ein, einen Rechtsanspruch auf Beseitigung von Diskriminierung sowie die Ausweitung des Verbandsklagerechts.
Die gesamte Veranstaltung wurde live übertragen. Hier der Link zum nachsehen:
www.facebook.com/watch/live/?ref=watch_permalink&v=3271859806450262
Erfolge und Errungenschaften
Einen differenzierten Blick auf die Erfolge des Klagsverbands gab der Vorstandsvorsitzende des Klagsverbands, Christopher Frank. Es gehe dabei nicht nur um erfolgreiche Klagen, sondern um Rechtspolitik – er nennt Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren, das Monitoring der UN-Behindertenrechtskonvention oder die Erstellung der CEDAW-Schattenberichte als Beispiele.
Er argumentierte weiter, dass die österreichische Antidiskriminierungsgesetzgebung der letzten 20 Jahre keine Erfolgsgeschichte gewesen sei: Wirkliche Errungenschaften, die über kleine Verbesserungen hinaus gehen, nur gegeben, wenn Entscheidungen des EuGH oder EU-Richtlinien diese unvermeidlich gemacht haben.
Die Behindertenanwältin der Republik Österreich, Christine Steger, hob anlässlich der Feierlichkeiten die Wichtigkeit der Rolle des Klagsverbands hervor. Es sei gelungen „ein paar Pflöcke eingeschlagen“ zu haben. Doch auch sie betonte abermals, wie ihre Vorredner:innen, dass es weiterhin einiges zu tun gibt. In diesem Zusammenhang brachte sie die Idee eines Hauses der Menschenrechte vor: dadurch soll es möglich sein intersektional gegen Diskriminierung vorzugehen.
Immer noch Hürden in der Rechtssetzung
Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, fasste die letzten 20 Jahre der Arbeit des Verbands zusammen:
Sie erklärte, dass die Arbeit des Klagsverbands in den vergangenen 20 Jahren neben der Informations- und Vernetzungsarbeit vor allem auf konkrete Klagen und gerichtliche Entscheidungen fokussiert war. Die Idee dabei war, Fälle zu behandeln, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben, um als mutmachende Beispiele für andere Betroffene zu wirken. Gleichzeitig würden diese Urteile zukünftig den Rechtszugang erleichtern, da vor Gericht auf sie zurückgegriffen werden könne. Neue Klagen würden dadurch erheblich an Gewicht gewinnen. Mittlerweile habe der Klagsverband rund 60 Gerichtsverfahren geführt, so Hammer.

Podiumsdiskussion. Blick Richtung Veranstaltungsteilnehmer:innen
Beispielhaft berichtet sie von der Verbandsklage zur Persönlichen Assistenz für Kinder in Schulen von 2021. Dabei wurde geklagt, dass zahlreichen Kindern mit Behinderung aufgrund des Fehlens einer geeigneten persönlichen Assistenz der Besuch einer regulären Schule verwehrt worden sei. Dadurch würden diese vom Staat diskriminiert werden. Das Gericht stellt 2023 ebendiese Diskriminierung fest, und der Klagsverband ist erfolgreich. Daraufhin hat der Bildungsminister die Assistenz für Schüler:innen mit Behinderungen neu regeln lassen. So wurde die Basis geschaffen, dass künftig individuell geprüft werden müsse, wer diese Unterstützung benötige.
Aufgrund der weiter bestehenden Hürden in der Rechtssetzung fordert Hammer: „[…] einen wirkungsvollen gesetzlichen Mindestschadenersatz bei Diskriminierung und neue Klagemöglichkeiten. Dazu gehören ein Rechtsanspruch auf Beseitigung von Diskriminierung und ein Verbandsklagerecht bei allen Diskriminierungsgründen. Nur so können wir umfassend gegen Diskriminierung vorgehen“.
Podiumsdiskussion
Im Zuge einer anschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich sieben der 69 Vertreter:innen der Mitgliederorganisationen miteinander aus:
Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS und Gründungsmitglied des Klagsverbands, hebt die Bedeutung des Klagsverbands hervor: „Ein Klagsverband soll vor allem klagen und daher freut es uns, dass es wegweisende Klagen gab, die wir erfolgreich abschließen konnten. Sei es gegen den ORF, die Wiener Linien, die Stadt Wien oder jüngst das Bildungsministerium. Die ersten 20 Jahre des Klagsverbands waren ziemlich aufregend und oft eine bewegte Zeit. Nicht immer war die Politik dem Klagsverband wohlgesonnen.“
Ann-Sophie Otte von HOSI Wien betonte, dass Menschen immer noch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beim Zugang zu Gütern – etwa bei der Wohnungssuche oder beim Eintritt in Gaststätten – nicht vor Diskriminierung geschützt seien.
In diesem Zusammenhang hob auch Rhonda D’Vine von Venib – Verein Nicht-Binär hervor, dass Menschen nicht nur auf einer Eben diskriminiert werden: Oftmals werden sie aufgrund mehrerer Aspekte, beispielsweise ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechter-Identität sowie einer oder mehrerer Behinderungen, diskriminiert. Es sei wichtig, diesen Umstand immer im Blick zu haben.
Ümmü Türe von der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus fasst zusammen: „Nur weil ich von einer Form der Diskriminierung nicht betroffen bin, heißt das nicht, dass sie mich nichts angeht“.
Bernadette Feuerstein, Obfrau des SLIÖ – Selbstbestimmt Leben Österreich, hat viele weitere Ideen für Verbandsklagen und betont auch deren Wichtigkeit. Sie verdeutlicht: Sensibilisierung sei „schön und gut“ – wirklich helfen würden jedoch Rechte und ihre Durchsetzung durch Klagen!
Konkrete Forderungen
Zusammengefasst wurden drei konkrete Forderungen dargelegt, die die Mitgliederorganisationen für die Zukunft als wichtig erachten:
- Verbandsklagerecht
„Das Antidiskriminierungsrecht sieht in erster Linie immer noch vor, dass sich Einzelpersonen gegen Diskriminierung wehren müssen. Gleichbehandlungsstellen und NGOs brauchen dringend ein Verbandsklagerecht, um gegen diskriminierende Strukturen vorzugehen. Das schafft Rechtssicherheit und setzt den Hebel bei Verursacher*innen an“, so Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft. - Rechtsanspruch auf Beseitigung von Diskriminierung
„Wir fordern einen Rechtsanspruch auf Unterlassung und Beseitigung von Diskriminierung. Wer sich gegen Diskriminierung wehrt, kann in der Regel nur Schadenersatz einklagen. Das verhindert oder beendet aber noch keine Diskriminierung. Deshalb braucht es dringend neue Rechtsansprüche im österreichischen Behindertengleichstellungsrecht. Auch für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist dieser Schritt längst überfällig“, sagt Bundesbehindertenanwältin Christine Steger. - Gesetzlicher Mindestschadenersatz
„Diskriminierung bedeutet immer eine massive Würdeverletzung für Betroffene. Für einen wirkungsvollen Schutz vor Diskriminierung und sexueller Belästigung braucht es nicht zuletzt einen gesetzlichen Mindestschadenersatz mit abschreckender Wirkung“, so Theresa Hammer, Geschäftsführerin des Klagsverbands.
Quellen:
APA OTS:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240524_OTS0165/20-jahre-klagsverband-expertinnen-setzen-sich-im-parlament-fuer-verbandsklagerecht-und-mindestschadenersatz-ein
Behindertenrat:
https://www.behindertenrat.at/2024/05/20-jahre-klagsverband/
BIZEPS:
https://www.bizeps.or.at/20-jahre-klagsverband-gemeinsame-rechtsdurchsetzung-staerkt/
Klagsverband:
https://www.klagsverband.at/archives/19287
Österreichisches Parlament:
https://www.parlament.gv.at/erleben/veranstaltungen/1168532
Bilder Quellen:
https://www.parlament.gv.at/aktuelles/mediathek/fotos/veranstaltung/2024/20240524-festakt_20_jahre_klagsverband
AutorIn: Valentin Lengauer
Zuletzt aktualisiert am: 31.05.2024
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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