Trotz erhöhter Gesundheitsrisiken nehmen Menschen mit Lernschwierigkeiten nur selten an Angeboten zu Darmkrebsprävention teil. Eine Tatsache, mit der sich ein Forschungsteam der Universität Wien nun genauer befasst hat. Die Studie zeigt zahlreiche Barrieren aber auch die wichtige Rolle von Unterstützungspersonen auf.
Krebsvorsorge ist sehr wichtig. Statistiken machen allerdings deutlich, dass Menschen mit intellektuellen Behinderungen trotz erhöhter Darmkrebssterblichkeit seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gehen als Menschen ohne intellektuelle Behinderung. Warum das so ist, wurde bisher kaum untersucht. Die Datenlage zu Menschen mit Behinderungen ist in Österreich äußerst mangelhaft. Eine Tatsache, die auch bei der UN-Staatenprüfung vergangenes Jahr kritisiert wurde.
Nun hat sich die Arbeitsgruppe „Intellektuelle Beeinträchtigung“ rund um Elisabeth Zeiliger der Problematik angenommen und die konkreten Hintergrunde analysiert. Für ihre Studie wurden rund 30 Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ihren Erfahrungen und Bedürfnissen in Hinblick auf Darmkrebsvorsorge befragt. Auch mit Angehörigen bzw. Unterstützungspersonen wurde gesprochen. Ziel der Studie war es, bestehende Barrieren sowie unterstützende Faktoren aufzudecken, um daraus klare Empfehlungen für die Gestaltung inklusiver Vorsorgeangebote abzuleiten.
Großes Interesse an Gesundheit, aber wenig Wissen vorhanden
Die Befragten zeigten sich am Thema sehr interessiert. Der Erhalt der eigenen Gesundheit wurde von Menschen mit Lernschwierigkeiten durchwegs als wichtig eingeschätzt und stellt für diese ein wesentliches Motiv dar, um Ärztinnen aufzusuchen. „Wenn es um die Gesundheit geht, dann mache ich es“, bringt eine Teilnehmerin ihre Sichtweise auf den Punkt.
Gleichzeitig war sowohl bei Menschen mit Lernschwierigkeiten als auch bei Unterstützungspersonen nur ein geringes Wissen über Krebs und Vorsorgeuntersuchungen vorhanden. Meist wird das Thema Krebs mit negativen Gefühlen verbunden, was eine Auseinandersetzung zusätzlich erschwert. Eine österreichweite Aufklärungskampagne, welche zielgruppengerecht aufbereitet ist, wäre sinnvoll und wichtig.
Aufklärung in Leichter Sprache und niederschwellige Angebote nötig
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten oft auf bürokratischen Hürden stoßen. Lange Wartezeiten, komplizierte Formulare und ein Mangel an verständlicher Information erschweren den Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen. Besonders wichtig erachten viele Teilnehmer:innen die Verwendung von Leichter Sprache – sei es in Aufklärungsfoldern oder im Gespräch mit medizinischem Personal. Nur wer versteht, worum es geht, kann selbständig Entscheidungen treffen.
Auch bauliche Barrieren, wie schwer zugängliche Arztpraxen, sowie ein Mangel an medizinischem Personal, das im Umgang mit Menschen mit Lernschwierigkeiten geschult ist, stellen Herausforderungen dar.
Ärzt:innen fehlt es an Wissen im Umgang mit Menschen mit Lernschwierigkeiten
In den Interviews berichteten manche Personen auch von Diskriminierungserfahrungen im medizinischen Kontext und von wenig Bereitschaft der Ärzt:innen, auf ihre Bedürfnissen einzugehen. Auch Bezugspersonen bemängelten das geringe Wissen von medizinischem Personal im Umgang mit Menschen mit Lernbehinderungen. „Und zwar sollten Ärzte eine Aufklärung über Behinderung kriegen”, so eine Studienteilnehmerin. Umgekehrt kann ein gutes Vertrauensverhältnis zu behandelnden Ärzt:innen die Bereitsschaft für Vorsorgeuntersuchungen deutlich erhöhen.
Rolle der Unterstützungspersonen muss gestärkt werden
Eine zentrale Bedeutung haben Unterstützungspersonen. Diese können bei der Planung von Terminen oder bei Verständnisfragen helfen und so die Selbständigkeit von Menschen mit Lernschwierigkeiten fördern. Als Begleitung bei Untersuchungen kann eine Vertrauensperson Sicherheit geben, ermutigen und unterstützen. Eine Studienteilnehmerin erzählt: „Wir haben bei der Untersuchung Musik eingeschaltet. Sie mag Schlager-Musik sehr gerne. Und wir haben mit ihr gesungen. Es war schon sehr viel Arbeit sie zu beruhigen, Aber das hat gut funktioniert.“
Unterstützungspersonen können auch eine wichtige Hilfestellung für Ärzt:innen im Umgang mit Patient:innen mit Lernschwierigkeiten sein. Diese müssen stärker als Vermittler:in und Berater:in wahrgenommen und gefördert werden, sind sich die Studienautor:innen einig.
Schlussfolgerungen im Überblick
Die kürzlich veröffentlichte Studie liefert wichtige Informationen über die Hürden und Herausforderungen, mit denen Menschen mit intellektuellen Behinderungen in der Gesundheitsversorgung konfrontiert sind. Die wichtigsten Schlussfolgerungen der Studie wurden in einer graphischen Übersicht kurz zusammengefasst.
Studie zu inklusiver Brustkrebsvorsorge als weiteres Forschungsprojekt
Das Projekt zu inklusiver Darmkrebsvorsorge ist eines von zwei aktuellen Forschungsprojekten, das an der Universität Wien zu inklusiver Krebsvorsorge durchgeführt wird. Das zweite Projekt beschäftigt sich mit dem Thema “Brustkrebsvorsorge bei Frauen mit intellektuellen Beeinträchtigungen”. Team Behindertenarbeit.at hat im Jänner 2024 über den Aufruf zur Teilnahme an dieser Studie berichtet. Das Projekt läuft derzeit noch, die Ergebnisse werden Ende 2025 erwartet.
Weitere Informationen:
Forschung zu inklusiver Darmkrebsvorsorge
https://dista.uniability.org/2024/04/forschung-zu-inklusiver-krebsv
Dateien als Download:
Studie Zusammenfassung:
Zusammenfassung Ergebnisbericht_Darmkrebsvorsorge bei Menschen mit IB
Studie in Leichter Sprache
LL_Ergebnis-Bericht_Krebs-Vorsorge bei Menschen mit Lern-Schwierigkeiten
Studienergebnisse in Leichter Sprache:
LL_Kurze Zusammen-Fassung Ergebnis-Bericht_Krebs-Vorsorge bei Menschen mit Lern-Schwierigkeiten
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 12.09.2024
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, Menschen mit Lernschwierigkeiten, News, Selbstbestimmtes Leben
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