Erstmals wurde eine österreichweite Umfrage zu den Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit durchgeführt. Über 4000 Berufsangehörige nahmen daran teil. Die Ergebnisse sind alarmierend: Fehlendes Personal und hoher Workload setzen Sozialarbeiter:innen zunehmend unter Druck!
„Wie geht es den Berufstätigen in der Sozialen Arbeit?“ – so lautete der Titel der Online-Befragung, die sich Anfang des Jahres an alle Angestellten in der Sozialen Arbeit richtete. Die Umfrage wurde von der Arbeiterkammer (AK) in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Berufsverband der Sozialen Arbeit (obds) durchgeführt. Mehr als 4000 Beschäftigte, das sind 10% aller Sozialarbeiter:innen und Sozialpädag:innen in Österreich, haben Fragen zu Arbeitszufriedenheit, Belastungen und Wünschen an die Politik beantwortet.
Die Ergebnisse wurden am 11. September 2024 bei einem Pressegespräch von AK und obds präsentiert. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Viele Beschäftigte in den Berufsfeldern der Sozialen Arbeit sind mit Überstunden und Überforderung konfrontiert. Fehlende Anerkennung sorgt für zusätzliche Unzufriedenheit im Job. Laut AK und obds braucht es dringend veränderte Rahmenbedingungen, wie die Einführung eines einheitlichen Berufsgesetzes, um diese Berufsgruppe zu stärken.
„2/3 der Sozialarbeiter:innen müssen Überstunden leisten“
Die Arbeitssituation ist für viele Angestellte in der Sozialen Arbeit prekär. Aufgrund von Projektfinanzierungen mit sehr kurzen Laufzeiten wissen viele Berufsangehörige nicht, ob sie langfristig ihren Arbeitsplatz behalten werden. Fast zwei Drittel aller Berufsangehörigen arbeiten in Teilzeit, ebenso viele müssen regelmäßig Mehr- und Überstunden leisten, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. In vielen Bereichen der Sozialen Arbeit gibt es zu wenig vorgesehene Planstellen, nicht besetzte Stellen und hohe Fluktuation. Mehr als die Hälfte der Befragten schätzen die Personalausstattung an ihrem Arbeitsplatz als unangemessen ein.
“Ich arbeite im Durchschnitt 55-60 statt 40 Stunden pro Woche, da wir bei der Kinder- und Jugendhilfe chronisch unterbesetzt sind, zu schlecht bezahlt werden, es deshalb an Bewerbungen fehlt”, erzählt eine Sozialarbeiterin von ihrem Alltag.
Hohe Arbeitsbelastung führt zu Überforderung
Besonders problematisch ist der hohe Workload. Anders als in anderen Berufssparten kann erhöhtes Arbeitsaufkommen in der Sozialen Arbeit nicht aufgeschoben werden. Wenn Kinder gefährdet sind, ein Räumungsbescheid vorliegt oder Opfer von Gewalt Hilfe benötigen, muss sofort gehandelt werden. Dies ist teilweise sogar gesetzlich vorgeschrieben. Eine höhere Arbeitsbelastung wirkt sich daher unmittelbar auf die Beschäftigten aus – ohne Rücksicht auf persönliche Kapazitäten oder Personalressourcen. Das Ergebnis sind Überstunden und Überforderung bis hin zum drohenden Burn-Out.
“Die geforderte Flexibilität durch Termine und Personalmangel oder Krankenstände geht weit über ein menschliches Ausmaß hinaus. Überwiegend ist das alleinige Arbeiten das Problem. Es kann niemand übernehmen, wenn man ausfällt. Es gibt kaum Stellen, die in voller Besetzung arbeiten.”, so eine Sozialpädagogin in der stationären Kinder- und Jugendhilfe in der Umfrage.
Hälfte der Beschäftigten denkt an Jobwechsel
Die herausfordernden Arbeitsbedingungen führen bei vielen Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen zum Wunsch nach beruflicher Veränderung. Laut Umfrage denken 31,6% der Befragten mehrmals pro Jahr, 9,2% monatlich und 11% wöchentlich bis täglich an einen Jobwechsel.
Die Umfrage zeigt allerdings auch: Die Unzufriedenheit liegt nicht an der Tätigkeit an sich. Gerade die Zusammenarbeit mit Klient:innen wird von den Befragten durchwegs als positiv empfunden. Vielmehr sind es die beruflichen Rahmenbedingungen oder äußere Umstände, welche zu Unzufriedenheit führen.
Fehlende Anerkennung der Politik als negativer Einfluss
Auf die Frage, mit welchen Faktoren die Berufsangehörigen zufrieden bzw. unzufrieden sind, antworteten viele Beschäftigten, dass insbesondere fehlende Anerkennung seitens der Politik große Enttäuschung hervorruft. Versprechungen ohne konkrete Schritte, Budgetkürzungen, das wechselseitige Zuschieben von Verantwortung für Finanzierungen – dies alles trägt dazu bei, dass sich die Berufsangehörigen der Sozialen Arbeit durch die Politik wenig wertgeschätzt fühlen.
Berufliche Zufriedenheit ist jedoch nicht nur für die Beschäftigten selbst von Bedeutung, sondern auch dafür, ob diese längerfristig im Beruf bleiben wollen und können. Die Umfrage zeigt jedenfalls große Herausforderungen und Probleme im Feld der Sozialen Arbeit auf, welche Handlungsbedarf seitens der Politik dringend nötig machen.
Forderungen von AK und obds – kurz zusammengefasst
- Gute Arbeitsbedingungen, damit Berufsangehörige qualitativ hochwertige Leistungen erbringen können, insbesondere durch Erhöhen der Personalausstattung.
- Berufsrecht für Soziale Arbeit: Erarbeitung und Umsetzung eines Bundesgesetzes für Soziale Arbeit, dass internationalen Qualitäts- und Ausbildungsstandards entspricht und Aufgaben, Kompetenzen, berufliche Rechte und Pflichten, usw. regelt.
- Qualitätssicherung: Ein Recht auf Fortbildungen, Supervision, Möglichkeit zur fachlichen Vernetzung, zum Austausch sowie die Verankerung von Mindestvorgaben für den Einsatz von Berufsangehörigen der Sozialen Arbeit.
- Verankerung verbindlicher Kriterien für den quantitativen Personaleinsatz (insbesondere Fallzahlen pro VZÄ) unter Berücksichtigung von bestehenden fachlichen Kriterien in den jeweiligen Förderkriterien des Bundes, der Bundesländer und der Gemeinden.
- Qualität der Praktika für Studierende: Berücksichtigung des personellen und finanziellen Aufwands für die fachliche Praktikumsbegleitung durch Berufsangehörige sowie Existenzsicherung für Auszubildende während ihrer Ausbildung zur Sozialen Arbeit (Regelungen für die Gesundheits- und Krankenpflege als Vorbild).
- Durchführung einer bundesweiten Erhebung zur Anzahl der Fachkräfte und Ermittlung des mittel- und langfristigen Bedarfs als Planungs- und Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung.
Weitere Informationen:
Unterlagen zum Pressegespräch vom 11. September 2024
20240911_Soziale-Arbeit
Artikel des Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit, 12. September 2024
Pressegespräch zu Umfrage-Ergebnissen: Soziale Arbeit unter Druck
https://obds.at/umfrageergebnisse-soziale-arbeit-unter-druck
Artikel der Arbeiterkammer, 11. September 2024
Soziale Arbeit unter Druck
https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/gesundheit_und_pflege/gesundheitsberufe/Soziale-Arbeit-unter-Druck-.html
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 25.09.2024
Artikel-Kategorie(n): News, Soziale Arbeit und Begleitung
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