Vom 05. bis 07. März 2025 fand heuer wieder die jährliche Konferenz des „Zero Project“ in der UNO-City Wien statt. 2008 von der Essl Foundation auf die Beine gestellt, setzt sich das Projekt für eine Welt ohne Barrieren ein.
Als Auftakt dazu haben Abgeordnete aus allen fünf Parteien bereits am Dienstag, dem 04. März 2025, Initiativen aus den Bereichen inklusive Beschäftigung, IT und Kunst im Parlament vorgestellt. Von speziellen Qualifizierungsinitiativen, der Bereitstellung von erschwinglichen und zugänglichen technischen Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen, der Förderung der beruflichen Selbständigkeit von jungen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, der Schaffung von Arbeitsplätzen in inklusiven Kleinunternehmen bis hin zur Unterstützung von Musiker:innen mit Behinderungen war alles dabei. Die ausgewählten Innovationen sollten außerdem bei ihrer Umsetzung in Österreich bestmöglich unterstützt werden.
Qualifizierungsinitiativen
Die FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker stellt in ihrer Präsentation ein steirisches Projekt vor, dass sich der Qualifizierung von bildungsbenachteiligten Menschen widmet. Sie weist darauf hin, dass in Österreich Jugendliche mit intellektuellen Behinderungen oder Lernschwierigkeiten immer noch ausgeschlossen und werden. Das Projekt „Chance B“ will hier einhacken: Ein speziell gefertigtes Programm (KomKom) soll die Kompetenzen dieser Personengruppe sichtbar machen und ihnen so Chancen auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung geben, erklärt Michael Longhino (Chance B). Die Initiative ermögliche bildungsbenachteiligten Menschen, als Arbeitnehmer:innen vom eigenen Gehalt zu leben, so Ecker.
Das Programm werde bereits vom österreichischen AMS und der Behindertenhilfe genutzt, es biete zertifizierte Abschlüsse an und nutze dabei das duale Ausbildungssystem für Lehrlinge in Österreich. Die Behindertenanwältin Christine Steger zeigte sich erfreut darüber, dass ca. 10 % der Teilnehmer:innen des Programms eine fixe Anstellung gefunden haben, weitere 20 % zumindest eine Teilzeitstelle. Sie wünsche sich, dass die Initiative auch in anderen Bundesländern genutzt werde. Ecker betont, dass sie sich weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen werde, das Prinzip „Lohn statt Taschengeld“ für alle Menschen in Österreich zu verwirklichen.
Vernetzungsplattform „TOM Global“
Die Plattform „TOM Global“ wurde im Rahmen der Präsentation von ÖVP-Mitglied Heike Eder vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Innovation, die sich dem Problem des Mangels an erschwinglichen und zugänglichen technischen Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen widmet. Eder habe dieses Projekt gewählt, weil sie als Frau mit Behinderung genau wisse, wie wichtig ein Zugang zu kostengünstigen technischen Hilfsmitteln ist.
Die von der in den Vereinigten Staaten ansässigen gemeinnützigen Organisation Reut USA entwickelte globale Plattform, vernetzt Techniker:innen, Designer:innen, Pflegekräfte und Menschen mit Behinderungen, um Antworten auf spezifische Probleme in den Bereichen Mobilität, Alltag, Sport und Musik zu finden. Das Online-Portfolio umfasst schon mehr als 1.000 Open-Source-Lösungen, die bis zu 99 % günstiger seien als marktübliche Produkte, berichtete Gideon Grinstein (Reut Institute). Hergestellt werden diese dezentral in Universitäten, Berufsschulen und Unternehmen. Mittlerweile sei TOM in 35 Ländern bzw. 62 Universitätsstandorten aktiv.
Bei der Diskussion wurde von dem ehemaligen ÖVP-Abgeordneten und Beauftragten für Barrierefreiheit im ORF Franz-Joseph Huainigg betont, dass bei der Entwicklung und Gestaltung assistierenden Technologien die Bedürfnisse der Zielgruppe im Mittelpunkt stehen müssen. Julia Moser (Interessensvertretung Frauen mit Behinderung) schloss sich dem an: Es sei wichtig, dass sich die Betroffenen in den Innovationsprozess entsprechend einbringen können.
Förderung der beruflichen Selbständigkeit von jungen Menschen mit Behinderungen
Der SPÖ-Abgeordnete Christian Oxonitsch präsentierte das britische NGO SAMEE. Dieses bietet ein Programm zur Vorbereitung auf die berufliche Selbständigkeit an, mit dem jungen Menschen mit Behinderungen im Alter von 18 bis 25 Jahren die Geschäftswelt kennenlernen können.
Anhand eines berufsbezogenen Profilings, kompetenzbasierten Trainingseinheiten und drei maßgeschneiderten Praktika können junge Menschen ihre Talente erkunden. Das Programm dauert 50 Wochen, und kann bereits Erfolge präsentieren: Im Jahr 2023 haben zwölf Teilnehmer:innen das Programm abgeschlossen. Neun davon gründeten ihr eigenes Unternehmen und drei fanden eine Teilzeitstelle, so die Projektverantwortliche Samantha Everard. Zielgruppe seien insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Autismus.
Das Programm wurde gemeinsam mit den Betroffenen entworfen, um eine nachhaltige Selbständigkeit zu erreichen, stellte Everard gegenüber Tobias Buchner (Pädagogische Hochschule Oberösterreich) fest.
Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen in inklusiven Kleinunternehmen
Die Kärnter „Diakonie de La Tour“ steht für ein Programm zur Schaffung von sogenannten inklusiven Kleinunternehmen: Menschen mit intellektuellen oder mehrfachen Behinderungen sollen dort Arbeitsplätze finden können. Somit werden sie gleichzeitig in das Sozialversicherungssystem integriert. In den Jahren 2021 bis 2024 wurden bereits 20 Arbeitsplätze in drei Unternehmen geschaffen, berichtete Michael Mellitzer (Diakonie Kärnten).
Fiona Fiedler (NEOS), die sich für dieses Projekt entschieden hat, betont, dass die Initiative eindrücklich zeige, wie manches in Österreich doch gehe: Das Projekt zielt auf die Personengruppe ab, die als „arbeitsunfähig“ abgestempelt werden, und daher in der Regel nur in Werkstätten arbeiten dürfen. Dort bekommen sie jedoch nur ein Taschengeld, und sind nicht soziale abgesichert. Die inklusiven Kleinunternehmen stellen diese Personen an, zahlen ihnen ein faires Gehalt, werden während der Einarbeitungszeit und darüber hinaus unterstützt, und zahlen somit ihre eigene Sozialversicherung. Dabei übernimmt das Land Kärnten sämtliche Beschäftigungs- und Betreuungskosten.
Der erste inklusive Kleinbetrieb, Küche:Waiern, startete 2021 mit sechs Beschäftigten, gefolgt von Café/Bistro Gernda mit acht Beschäftigten und Akademie:Inklusiv, einer Bildungsakademie, mit sechs Beschäftigten. Michael Mellitzer führte gegenüber Rudolf Kravanja (ÖZIV) und Heidemarie Egger (Expertin mit Behinderungen) aus, dass man damit Menschen fördern konnte, die auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt keine Chancen gehabt hätten.
„Handiclapped“
Der Grünen-Abgeordnete Ralph Schallmeiner präsentierte die gemeinnützige Berliner Eventagentur „Handiclapped“ zur Förderung von Musiker:innen mit Behinderungen. Die kostenfreie Online-Plattform „Pinc Music“ für inklusive Bands, Chöre, DJs und Solomusiker:innen mit Behinderungen, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, wurde 2021 ins Leben gerufen. Die Musiker:innen werden dabei von der Agentur vor allem bei der Erstellung von Mutimediainhalten, Soundproben, Fotos und Hintergrundgeschichten unterstützt, um in der Folge von Konzertagenturen und Festivals gebucht zu werden. Im Jahr 2024 waren auf der Plattform 97 Bands mit mehr als 300 Musiker:innen. Schallmeiner betont neben der Anerkennung der Kunst von Menschen mit Behinderungen vor allem die Möglichkeit, mit den Auftritten Geld zu verdienen.
Thorsten Hesse (Handiclapped) ist überzeugt, dass Musik eine Superpower hin zu einer offenen, inklusiveren Gesellschaft sei und vor allem Gemeinschaft schaffe. Ein wichtiger Schritt war es, eine barrierefreie Anmeldung für die Künstler:innen sicherstellen, führte Hesse gegenüber Christian Specht (Behindertenparlament) und Marija Binova (Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs) aus.
Quelle der Inspiration
Die Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler, die gemeinsam mit dem Nationalratspräsidium eingeladen hat, betont, dass die Projekte alle zeigen, dass Inklusion keine Vision sei, sondern gelebte Realität sein könne. Sie hebt weiter hervor, dass Inklusion als gesamtgesellschaftliche und daher parteiübergreifende Aufgabe betrachtet werden müsse: Die Anstrengungen dahingehend müssen miteinander getätigt werden.
Die Veranstaltung habe verdeutlicht, dass künstliche Intelligenz viele Möglichkeiten für innovative Lösungen bieten würde. Wesentlich sei aber, dass diese Entwicklungen von Anfang an inklusiv gedacht und gestaltet werden, denn nur so könnten neue digitale Barrieren verhindert werden. Es sei an der Zeit weiterzuarbeiten und sich gemeinsam für eine inklusive Gesellschaft einzusetzen, betonte die Bundesratspräsidentin in ihren abschließenden Worten.
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AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 07.03.2025
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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