Am 25. September 2025 fand die Fachtagung des Österreichischen Behindertenrats zum neuen Barrierefreiheitsgesetz statt. Rund 250 Besucher:innen nahmen an der Veranstaltung teil und befassten sich mit den Auswirkungen des Gesetzes, seinen Stärken und Schwächen.
Vor rund 3 Monaten, am 28. Juni 2025, trat das neue Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) in Kraft. Das Gesetz versteht sich als Umsetzung des European Accessability Act (EAA), eine EU-Richtlinie, welche 2019 beschlossen wurde. Mit dem Barrierefreiheitsgesetz wird digitale Barrierefreiheit erstmals verpflichtend, eine Neuheit, die im Rahmen der Konferenz vielfach begrüßt, deren Umsetzung aber auch kritisch hinterfragt wurde.
Die Fachkonferenz des Österreichischen Behindertenrates widmete sich vor allem praxisbezogenen Fragen rund um das Gesetz: “Welche Produkte und Dienstleistungen sind vom Barrierefreiheitsgesetz erfasst und welche nicht? Welche Vorschriften gibt es? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird? Wer kontrolliert, ob das Gesetz eingehalten wird? Und wie funktioniert die Marktüberwachung in der Praxis?” so Klaus Widl, Präsident des Österreichischen Behindertenrats, über die Schwerpunkte der ganztägigen Fachkonferenz.
Digitale Barrierefreiheit nun erstmals gesetzlich geregelt
“Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Und dabei geht es nicht nur um den Lift und die Rampe für Rollstuhlfahrer:innen, sondern auch um die digitale Barrierefreiheit”, erklärte Moderatorin Miriam Labus in ihrer Eröffnungsrede.
Tatsächlich bezieht sich das Barrierefreiheitsgesetz nicht auf bauliche Maßnahmen, sondern auf die Nutzung von Produkten und Dienstleistungen. Per Gesetz müssen nun alle elektronische Geräte, Dienstleistungen, Online-Shops, Selbstbedienungsterminals, Computer und Smartphones für Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen zugänglich und bedienbar sein. Gerade für Menschen mit Sinnesbehinderungen stellt dies eine wichtige Verbesserung dar.
Das Gesetz sei “eine Chance für alle” und schaffe eine Grundlage dafür, dass „alle Menschen ihren Alltag selbstbestimmt führen können”, zeigte sich Sozialministerin Korinna Schumann überzeugt.
Gesetz ist wichtiger Schritt, aber es gibt auch Mängel
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich via Videobotschaft zu Wort: Barrierefreiheit sei kein ‘nice to have‘, sondern müsse von Anfang an mitgedacht werden. Die neue Verordnung zeige “einerseits, was wir alles erreichen können, andererseits auch, was wir noch erreichen müssen”, womit Van der Bellen vor allem eine stärkere Beteiligung von Menschen mit Behinderung bei der Erarbeitung derartiger Gesetze einforderte.
Klaus Widl, Präsident des Österreichischen Behindertenrats, betonte ebenfalls, dass das Gesetz ein wichtiger Schritt sei, jedoch noch Lücken bestehen: ”Wir dürfen uns auf dem Erfolg nicht ausruhen – es bleibt noch viel zu tun.” Bemängelt wurde, dass sich das Gesetz ausschließlich auf neue digitale Produkte und Dienstleistungen bezieht und viele Produkte wie etwa Haushaltsgeräte von der Verordnung ausgenommen sind. Auch an den langen Übergangsfristen wurde Kritik geäußert: Ganze fünf Jahre dürfen sich Anbieter von Dienstleistungen Zeit lassen, um diese barrierefrei zu gestalten, Selbstbedienungsterminals, welche noch nicht barrierefrei sind, dürfen sogar bis 2040 weiterverwendet werden.
Stärkere Einbindung von Menschen mit Behinderungen gefordert
Ein Highlight des Konferenztages war die Keynote von Shadi Abou-Zahra, ehemaliger Spezialist der W3C Web Accessibility Initiative. „Der Spirit des European Accessibility Act gibt schon viel her. Der Fokus muss aber auf die erlebte Barrierefreiheit der jeweiligen Nutzer:innen gelegt gerichtet werden“, so Abou-Zahra, der forderte, dass Behindertenvertretungen mehr in die Standardisierung und Umsetzung involviert werden. „Barrierefreiheit muss gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen gestaltet werden, nicht für sie.“
Auch bei der Überwachung des Gesetzes sollten Menschen mit Behinderungen stärker einbezogen werden. Zuständig für Kontrollen und Beschwerden ist die Marktüberwachungsbehörde des Sozialministeriumservice. Bei Nicht-Einhalten der Vorgaben droht eine Verwaltungsstrafen in der Höhe von bis zu EUR 80.000,-. Derzeit arbeiten laut Radio Orange sieben Mitarbeiter:innen in der Überwachungsbehörde – Menschen mit Behinderungen, die Experten in eigener Sache wären, sind allerdings nicht darunter.
„Erstmals haben wir ein Gesetz, das ‘Zähne‘ hat“
Wenngleich das neue Barrierefreiheitsgesetz noch Lücken aufweist, handelt es sich zweifellos um eine wichtige Chance im Bereich der Inklusion, waren sich die Konferenzteilnehmer:innen einig. Gelungene Abschlussworte dazu fand Mag. Klaus Höckner, Nationaler Experte für das AccessibleEU Centre, Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreich: “Bei aller berechtigen Kritik, die wir haben können, weil es Lücken und mögliche Umsetzungsprobleme gibt: Das ist das erste Mal in der Europäischen Union, das wir ein Gesetz haben, das ‚Zähne‘ hat. Denn mit dem Gesetz wird die Beseitigung der Barriere garantiert und zwar von gesetzeswegen, und zwar strafbewährt. Und das ist etwas ganz Neues”.
Insgesamt zeigte die Konferenz eindrucksvoll, dass das neue Barrierefreiheitsgesetz mehr als nur eine juristische Verpflichtung darstellt. Letztlich handelt es sich um einen gesellschaftlichen Auftrag, digitale Teilhabe und Selbstbestimmung für alle Menschen sicherzustellen. Mit dem Gesetz wurde ein wichtiger Schritt getan, der Weg zu umfassender Barrierefreiheit bleibt allerdings weiterhin herausfordernd.
Weitere Infos:
Das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG) als PDF | Fassung vom 28. Juni 2025
RIS – Barrierefreiheitsgesetz
Fachkonferenz Barrierefreiheitsgesetz
Österreichischer Behindertenrat | 25. September 2025
https://www.behindertenrat.at/aktuelles/news/fachkonferenz-barrierefreiheitsgesetz/
Beitrag von Radio Orange 94.0 zum Barrierefreiheitsgesetz
https://cba.media/735513
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 09.10.2025
Artikel-Kategorie(n): Gesetze, Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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