Der Vereins Rainman’s Home bietet an drei Standorten in Wien Tagesstrukturen, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen im Autismus-Spektrum zugeschnitten sind. Team Behindertenarbeit.at nutzte den Tag der offenen Tür, um einen Blick in die Einrichtung in der Semperstraße zu werfen.
Im 18. Wiener Gemeindebezirks, nahe der U6-Station Währinger Straße befindet sich die Tagesstruktur Semperstraße des Vereins Rainman’s Home. Bereits die großen Schaufenster rund um den Eingang lassen erahnen, welch kreative und talentierte Menschen hier am Werk sind: Fotorealistisch bemalte Tassen, bedruckte T-Shirts, selbst gebaute Insektenhotels und bunte Keramikobjekte können durch die großen Scheiben bestaunt und vor Ort oder im Webshop gekauft werden. Die Werke stammen nicht nur aus der Semperstraße, sondern auch von anderen Einrichtungen des Vereins, lässt man uns wissen.
Insgesamt drei Einrichtungen zählen mittlerweile zu Rainman’s Home. „Mensch sein unter Menschen”, so lautet das Ziel des Vereins, das den achtsamen und bedürfnisorientierten Zugang des Teams klar zum Ausdruck bringt. Im Rahmen der Veranstaltung “Schau vorbei in der Tagestruktur” erhielten wir eine Führung durch das Stammhaus Semperstraße, den ältesten der drei Standorte.

Schaufenster Rainman’s Home Semperstraße | Foto: Bauer, Behindertenarbeit.at
Drei Standorte, vielfältige Angebote
Entstanden ist Rainman’s Home im Jahr 1991 aus einer Elterninitiative, wie Gründer Dr. Anton Diestelberger zu Beginn der Führung erzählt. Als Vater eines autistischen Sohnes weiß er genau, wie schwierig es war, eine passende Tagesstätte für autistische Kinder zu finden. “Damals gab es nach der Schule einfach nichts”, erinnert er sich. So wurde schließlich die Tagesstruktur Semperstraße eröffnet – getreu dem Motto: „Wenn es keine Plätze gibt, machen wir uns selbst welche.“
Die Tagesstruktur Semperstraße hat sich heute zum Raum für Kreativität und Kommunikation entwickelt und wird vorwiegend von Klient:innen besucht, die nicht arbeitsfähig sind. In der Tagesstruktur Teschnergasse wiederum liegt der Fokus auf Arbeit und Autonomie. Der dritte Standort in der Wehlistraße richtet sich an jüngere Personen unter 30 Jahren und setzt auf Natur und Bewegung.
„Das Miteinander ist uns sehr wichtig“
22 Klient:innen werden derzeit in der Semperstraße betreut. „Das Miteinander in den Gruppen ist uns sehr wichtig“, so eine Betreuerin. Bei der Aufnahme neuer Klient:nnen wird daher sehr auf die Gruppenzusammensetzung geachtet. Eine Diagnose im Austismus-Spektrum ist keine Voraussetzung, auch Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen, etwa mit Down-Syndrom, sind willkommen.
Die Arbeit mit Menschen im Austismus-Spektrum erfordert viel Einfühlungsvermögen und Fachwissen. Alle Betreuer:innen haben eine pädagogische Ausbildung, die langjährige Erfahrung des Vereins stellt eine wertvolle Grundlage für die Arbeit dar. „Menschen im Autismus-Spektrum haben eine andere Wahrnehmung, die Hirnstrukturen sind anders. Man kann einen Menschen mit Autismus nicht verändern, aber man kann die Umgebung autismusgerecht machen“, so der Vereinsgründer.

Aufenthaltsraum Rainman’s Home Semperstraße | Foto: Bauer, Behindertenarbeit.at
“Autistische Menschen hören, sehen und denken anders”
Wie sehr die Tagesstruktur Semperstraße auf die Bedürfnisse von Menschen im Autismus-Spektrum abgestimmt ist, zeigt sich im Rundgang: Überall an Türen und in den Räumen sind Piktogramme angebracht, an den Wänden hängen Tages- und Wochenpläne, ebenfalls mit Fotos und Symbolen versehen. Dies ist ein Teil der TEACCH-Ansatzes, wie man uns erklärt, ein Konzept, das die besondere Fähigkeit zur visuellen Informationsverarbeitung vieler autistischer Menschen nutzt. Visuelle Pläne und Symbole erleichtern die Orientierung und Kommunikation. Auch nonverbale Kommunikation wird in der Semperstraße genutzt und gefördert.
Die besondere Empfindsamkeit autistischer Menschen wird unterstützt, indem beispielsweise auf angenehme und unterschiedliche Lichtstimmungen geachtet und viel mit Musik gearbeitet wird. Auch Genauigkeit ist wichtig: „Alle Uhren sind bei uns Funkuhren“, erzählt Diestelberger. Denn: Exaktheit und Orientierung sind für viele Klient:innen von großer Bedeutung, Abweichungen würden zu Unruhe führen.
Individualität und Selbstbestimmung im Mittelpunkt
Eine Besonderheit bei Rainman’s Home: Es gibt keine fixen Gruppen, stattdessen wird flexibel und bedürfnisorientiert gearbeitet. Die Klient:innen können selbst wählen, an welcher Gruppe sie teilnehmen möchten. Diese bleibt über einen gewissen Zeitraum bestehen, kann aber immer wieder verändert werden. In der Semperstraße befindet sich eine Druckwerkstätte, Textiles Arbeiten, Design, eine Therapieküche und eine Gruppe für Unterstützte Kommunikation.
Selbstbestimmtheit wird hier täglich groß geschrieben: So können Klient:innen beispielsweise jeden Tag beim Ankommen entscheiden, welches Mittagessen sie möchten. Zur Auswahl stehen sechs Speisen. Eine davon wird von der Kochgruppe gekocht, alle anderen werden geliefert. „Essen ist eine Möglichkeit, um die eigene Wünsche auszudrücken“, so eine Betreuerin.
Während unserer Führung durch die Druckwerkstätte hören wir plötzlich ein Klatschen und Jubeln: Die Zeichnung eines Klienten hat bei einem Wettbewerb gewonnen und wird nun als Visual für die Fachtagung der Uni Heidelberg genutzt. “Das ist eine schöne Ehre”, freut sich Diestelberger. Nicht das erste Mal, dass Werke von Klient:innen ausgezeichnet werden: “Wir hatten schon viele Preisträger:innen hier. Auch beim Literaturpreis Ohrenschmaus hat ein Klient einmal den ersten Platz gemacht.”

Druckwerkstätte Rainman’s Home Semperstraße | Foto: Bauer, Behindertenarbeit.at
„Uns interessieren die Stärken“
Zum Abschluss der Führung geht es eine Treppe hinab in den hauseigenen Turnsaal. Einmal pro Woche wird gemeinsam geturnt, bei Bedarf können Klient:innen auch selbständig den Raum nutzen.
„Es wurde hier auch schon Yoga angeboten“, erzählt Diestelberger erfreut. Das Team zeigt sich sehr offen für eigene Ideen und neue Angebote, wenn Mitarbeiter:innen eine entsprechende Ausbildung oder Interesse mitbringen. Wichtig sei es immer auf die Stärken eines Menschen zu fokussieren, ist der Gründer überzeugt: “Jeder Mensch hat Stärken und die interessieren uns.“ Dies spielt auch bei der Bewerbung neuer Mitarbeiter:innen eine wichtige Rolle. Denn „dort wo man sattelfest ist, ist man auch überzeugend.“
Eine Haltung , die bei Rainman’s Home sowohl für Betreuer:innen als auch für Klient:innen gilt – und auch gelebt wird.
AutorIn: Alice Bauer
Zuletzt aktualisiert am: 15.10.2025
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsintegration und unterstützte Beschäftigung, News, Selbstbestimmtes Leben
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