Mit einem großen Jubiläumsfest feierten die SelbstvertreterInnen von „Vienna People First – gemeinsam ans werk“ am 22.09.2012 das 11-jährige Bestehen. Mehr als 70 Gäste waren ins Haus der Begegnung in Wien gekommen. Es wurde gefeiert aber auch gefordert: Die Stadt Wien soll sich endlich für ein unabhängiges Selbstvertretungszentrum engagieren!
Die Entstehung von People First
Auslöser für die Gruppengründung im Jahr 2001 war ein Seminar des amerikanischen Selbstvertreters Michael Long in Wien, das Frau Monika Prem dazu ermutigte selbst eine „People First“-Gruppe am 27. April 2001 in Wien zu gründen. „People First“ in ein englischer Begriff und bedeutet sinngemäß: „Zuallererst bist Du als Mensch wichtig und erst als zweites geht es um Deine Lernschwierigkeit oder Deine Einschränkung.“ Mittlerweile ist „People First“ eine weltweite Bewegung von Menschen mit Lernschwierigkeiten geworden und es gibt zahlreiche eigenständige Gruppen in vielen Ländern.
SelbstvertreterInnen haben schon einiges erreicht
Neben einer Vorstellung der aktuellen Mitglieder wurden auch die Arbeitsfelder von Vienna People First präsentiert: Freizeit und Geselligkeit, Persönliche Entwicklung und Selbstvertretung, politische Veränderungen bewirken, Mitarbeit in diversen Arbeitskreisen, sowie Unterstützung anbieten. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählen derzeit die Neugestaltung der Sachwalterschaft, die gesetzliche Verankerung und der Ausbau von Mitbestimmungsorganen im Wohn- und Tagesstrukturbereich, der Zugang zu Gesundheitsvorsorge, politische Teilhabe, Sozialversicherung für WerkstättenbesucherInnen sowie das Thema Sexualität und Behinderung. Politische Erfolge der Gruppe waren etwa die Verbesserungen bei der Sachwalterschaft oder die Unfallversicherung für WerkstättenbesucherInnen.
Ein Dankeschön wurde der Jugend am Werk Begleitung von Menschen mit Behinderung GmbH für die Unterstützung und Bereitstellung von Büroräumlichkeiten ausgesprochen und die Gruppengründerin Monika Prem sowie der langjährige Unterstützer Manfred Beigel erhielten eine Anerkennung für ihre geleistete Arbeit. In einer Trauerminute wurde zudem der drei bereits verstorbenen Mitglieder Edith Schranz, Werner Guschelbauer und Thomas Weissenbacher gedacht.
Wiener SelbstvertreterInnen wollen politische Zusammenarbeit
Inhaltlicher Höhepunkt war die anschließende Podiumsdiskussion zum Thema „Warum die Stadt Wien ein Selbstvertretungszentrum für Menschen mit Lernschwierigkeiten haben sollte“, die von Isabell Supanic von behindertenarbeit.at geleitet wurde. Monika Rauchberger von WIBS Tirol, Heide Tomacek von der Lebenshilfe Wien sowie Günther Leitner und Lucia Vock von Vienna People First betonten dabei die Bedeutung eines Zentrums für die Wiener Selbstvertretung, damit inhaltlicher Austausch, Unabhängigkeit gegenüber Trägerorganisationen, gegenseitige Vernetzung und vor allem gemeinsame politische Arbeit von Menschen mit Lernschwierigkeiten gefördert werden kann.
Unabhängiges Selbstvertretungszentrum gefordert
Frau Rauchberger erzählte über die Vernetzung der SelbstvertreterInnen in Tirol und bot ihre Unterstützung für die Wiener KollegInnen an. Frau Tomacek, Frau Vock und Herr Leitner informierten zudem über die möglichen Arbeitsgebiete eines unabhängigen Selbstvertretungszentrums, darunter etwa die Peer-Beratung, Vernetzung und Organisation von Seminaren.
Große Bedeutung hätte das Selbstvertretungszentrum außerdem, um die Arbeit von SelbstvertreterInnen generell bekannter zu machen. Kritik äußerten die SelbstvertreterInnen daran, dass nach wie vor auch BetreuerInnen das Thema Selbstvertretung nicht ernst nehmen oder nicht einmal kennen.
Weiters wurde kritisiert, dass die Verhandlungen rund um ein Selbstvertretungszentrum der Stadt Wien schon seit dem Jahr 2005 laufen und noch immer kein Ergebnis zustande gekommen ist. Die SelbstvertreterInnen am Podium und im Saal sprachen sich aber klar dafür aus, weiter für ein Selbstvertretungszentrum kämpfen zu wollen.
Es darf gefeiert werden…
Anlässlich des Jubiläums wurde aber auch gefeiert – mit Live-Musik von Peter Senkyr und Maria Schwarr, einer Disco, Tombola und einer umjubelten Travestie-Überraschungseinlage von den „Manne“-quins.
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AutorIn: Wolfgang Bamberg
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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