Wer die Wiener Selbstvertretungsszene ein bisschen kennt, dem kommt es ja schon wie eine alte Leier vor, aber es muss trotzdem wieder einmal deutlich gesagt werden: ein unabhängiges Selbstvertretungszentrum ist längst überfällig. Ein Kommentar von Thomas Stix.
Beeindruckend war das 11-Jahres-Fest, das von den Wiener SelbstvertreterInnen organisiert worden ist. behindertenarbeit.at war hautnah dabei: Meine Kollegin Isabell Supanic hat im Vorfeld in drei Vorbereitungstreffen mit den SelbstvertreterInnen die Podiumsdiskussion vorbereitet und beim Fest moderiert. Bei der Diskussion wurde wieder die Forderung nach einem Selbstvertretungszentrum für Menschen mit Lernschwierigkeiten laut.
In Wien gibt es allerhand Werkstättenräte, Wohnräte und Kompetenzzentren in denen Menschen mit Lernschwierigkeiten innerhalb von Trägerorganisationen der Behindertenhilfe organisiert und mit verschiedenen Aufgaben betraut sind. Diese Funktionen sind sicher wichtig, sie können jedoch nur kleinere Probleme innerhalb der Organisation lösen, niemals aber wirklich politisch und unabhängig tätig sein. Sie können deshalb nicht politisch aktiv sein, da sie unter der Schirmherrschaft einer Trägerorganisation handeln, die womöglich andere Ziele verfolgt, oder sich gesellschaftspolitische Situationen eben anders vorstellt als dies (verschiedene Gruppen von) Menschen mit Lernschwierigkeiten tun.
Und dann kommen noch andere „Kleinigkeiten“ dazu, nämlich dass manche SelbstvertreterIn aus Wien noch nicht mal das Geld hat, um zum internationalen SelbstvertreterInnen-Treffen, dass bereits zum sechsten Mal in Südtirol statt findet, zu fahren. Es ist eine Schande, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten keine Ressourcen in die Hand bekommen, um selbstbestimmt politisch aktiv sein zu können, sondern dies gegebenenfalls dürfen, wenn die Trägerorganisation einverstanden ist.
Die Stadt Wien hat dieses „Problem“ angeblich an die WiG (Wiener Gesundheitsförderung) abgegeben. Ist diese Stelle überfordert mit dieser Aufgabe? Oder warum geht da nichts weiter? Will die Stadträtin Wehsely überhaupt, dass etwas weitergeht?
Das Sozialministerium hat eine Leicht-Lesen-Version der UN-Behindertenrechtskonvention verfasst. Hier ist unter Punkt „Mitbestimmen in der Politik und in Gruppen“ zu lesen:
Jeder Mensch mit Behinderungen
kann Gruppen für Menschen mit Behinderungen
gründen und dort mitmachen.
Zum Beispiel Gruppen,
die für ihre eigenen Rechte kämpfen.
Klarer und verständlicher kann es nicht mehr gesagt werden! Die Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten in Wien hat ein Recht auf ein Selbstvertretungszentrum, das unabhängig ist. Und die Stadt Wien hat die Pflicht, dieses Zentrum schnellstmöglich auf die Beine zu stellen!
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Download: UN-Behindertenrechtskonvention Erklärt in Leichter Sprache (LL)
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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