385 Änderungskündigungen sollen Angestellte von Sozial Global zum Umstieg auf das neue Gehaltsschema bewegen. Warum ist neu schlechter als alt? Was ist die Wurzel des Übels?
Sozial Global ist einer der großen Dienstleister im Bereich Pflege und Betreuung. Die Sozial Global AG ist Mitglied der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS). Dieser Tage reichte die Geschäftsführung 385 sg. Änderungskündigungen ein, mit denen erreicht werden sollte, dass diese Angestellten einen neuen Dienstvertrag bekommen und somit in das Schema des neuen BAGS-Kollektivvertrag fallen sollen. Soweit die kurze Zusammenfassung.
Die Empörung bei Gewerkschaften und der FPÖ ist groß. In Presseaussendungen wird Sozial Global, deren Führungsriege aus dem Roten Lager der Wiener Stadtpolitik kommt, als unsozial und frauenfeindlich gebrandmarkt. Die FPÖ schreibt etwa:
„Sozial Global – Beratung, Betreuung, Pflege“ erpresst Mitarbeiterinnen in einer unglaublichen Art und Weise […] Hier erhält der Begriff „working poor“ einen neuerlichen rotgefärbten Tiefpunkt. […] (FPÖ Wien, 25.02.2011)
Die Gewerkschaft verlautbart:
„Beschäftigte, die jahrzehntelang engagierte und qualitativ hochwertige Pflege- und Betreuungsarbeit leisten, sollen massive Einkommenskürzungen in Kauf nehmen, um ihren Job zu behalten. Eine völlig inakzeptable Vorgangsweise, die man so nicht widerstandslos zur Kenntnis nehmen kann. Derartig mit Drohungen verbundene Vorgangsweisen eines Vorstandes ohne Beachtung der Mitbestimmungsrechte von BetriebsrätInnen kann man nur mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen“ (Karl Proyer, GPA-djp, 22.02.2011)
Es gibt ein seltsames Bild ab, wenn die Gewerkschaft selbst kritisiert, dass der neuere Kollektivvertrag auf ArbeitnehmerInnen angewendet werden soll. Die Gewerkschaft hat doch den BAGS-Kollektivvertrag ausverhandelt und dem Ergebnis zugestimmt. Offenbar ist das alte Gehaltsschema viel attraktiver. Woher sonst die Empörung?
Wohl bekannt ist, dass Unternehmen, die im Sozial- und Pflegebereich tätig sind, unter einem zunehmenden Kostendruck stehen. Budgetmaßnahmen lassen deren Einkommen, das ja von der Öffentlichen Hand direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt wird, nicht in dem Maß steigen, in dem die Anforderungen an diese Betriebe wachsen. Allein beim Pflegegeld, das ja zu einem großen Teil den Sozialdienstleistern zufließt, ist seit Bestehen eine Kürzung von real 25% durchgeführt worden. Immer wieder weisen vor allem Behindertenorganisationen auf diesen Missstand hin, von der Politik will er aber nicht wahr genommen werden.
Karl Öllinger von den Grünen zur Causa Sozial Global:
„Die öffentliche Hand will hier auf Kosten der Beschäftigten im Sozialbereich Mittel einsparen und refundiert den Organisationen nur die Lohnkosten auf Basis des niedrigen Kollektivvertrages. Das führt dazu, dass soziale Organisationen ihrerseits wieder versuchen, die Lohnkosten ihrer Beschäftigten, die noch nach einem besseren Vertrag entlohnt werden, mit allen Mitteln zu drücken.“ (25.02.2011)
Mit der Einführung des BAGS-Kollektivvertrags mit seinen niedrigeren Mindestlöhnen hat auch die Öffentliche Hand ihre Kostenpolitik angepasst. Als Richtwert gilt immer öfter, was im BAGS-KV steht, und daher ist es wenig verwunderlich, wenn die Sozialdienstleister ebenfalls in diese Richtung gehen (müssen).
Die laufende Causa Sozial Global sollte vor allem die Politik aufrüttelt und endlich die Zeichen der Zeit sehen lassen und Handlungen setzen, die echte Entlastungen und langfristige Lösungen mit sich bringen: als Sofortmaßnahme eine Valorisierung des Pflegegeldes, weiters eine Ermöglichung der Erhöhung der Kollektivvertragslöhne durch mehr Fördermittel im sozialen Bereich.
Durch das Einprügeln auf eine Organisation wie Sozial Global wird jedenfalls kein Problem gelöst!
Quelle: APA
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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