Der Verein „DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben“ bietet seinen Mitgliedern in der Schweiz lt. Statuten unter anderem „Sterbebegleitung und Freitodhilfe“ an. Ein Vertreter von DIGNITAS war Gast bei der Diskussionssendung IM ZENTRUM – Leben und Sterben lassen im ORF am 12.01.2014.
Es gibt sehr vieles zum Thema Sterbehilfe zu sagen, ich möchte einen Aspekt herausnehmen, den ich vor dieser Sendung so nicht gekannt habe, den es aber offenbar gibt, jedenfalls wenn man den Aussagen des DIGNITAS-Vertreters Glauben schenken kann. Er nennt „rationale“ Gründe, warum sich jemand zum Sterben „selbstbestimmt“ entscheiden würde. Dabei würden nicht selten das Geld bzw. die Erbschaft eine große Rolle spielen, und zwar wenn etwa jemand überlege:
Mir ist es wichtiger als Großvater, dass meine Enkeln studieren können, statt dass ich jetzt noch drei Monate bei einer schweren Krebserkrankung weiterhin Umsätze in Krankenhäusern verursache. [Link]
Ein mulmiges Gefühl ist da bei mir aufgekommen. Ein alter Mensch entscheidet sich zugunsten seiner Enkeln für den Freitod. Nämlich um diesen einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Er will kein Geld verschwenden durch sein Weiterleben in Krankheit…
Ist das die Zukunft des Sterbens? Ein „rationales“ Abwiegen? Ein Überlegen, ob sich’s noch auszahlt? Ein Nachdenken darüber, ob’s ein Leben in Krankheit überhaupt Wert ist?
Für mich als chronisch kranker Mensch, als behinderter Mensch, als Mensch, der eine kostspielige medizinische Versorgung braucht, als Mensch, der viel Geld für Persönliche Assistenz braucht, kommt da eine Angst hoch. Die Angst vor der Frage: Bin ich als Mensch mit einer schweren Behinderung es Wert? Muss ich mich vor der Gesellschaft rechtfertigen, warum ich dieses Leben will, obwohl es doch auch den „Ausweg“ geben würde?
Franz Müntefering hat es in einem kürzlich erschienenen Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung so formuliert:
Nützlichkeitserwägungen und Perfektionssehnsucht vermischt mit Lebensüberdruss können sich zu einer gefährlichen Melodie vereinen: ganz oder gar nicht, super ist geil, weniger lohnt nicht.
Ich will das nicht! Ich will keine Möglichkeiten zum Sterben – zum selbstbestimmten Sterben – präsentiert bekommen! Ich will die Möglichkeit ein selbstbestimmtes Leben führen zu können!!! Ein selbstbestimmtes Leben ohne den ständigen Kampf mit Ämtern und Behörden um die notwendigen Mittel, ohne die ständige Unsicherheit, ob eine heute bewilligte Unterstützung auch nächstes Monat noch gewährt wird… Ich will die Umsetzung der Menschenrechte in die Praxis, damit ich ganz normal LEBEN kann!
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, Kommentare, News
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