Nach der Präsentation des neuen ORF-Publikumsrates (Presseaussendung 25.03.2014) zeigen sich die Behindertenorganisationen empört: Wiederum wurde ein nicht-behinderter „Behindertenvertreter“ in den Rat bestellt und sämtliche Vorschläge von ÖAR und SLIÖ ignoriert. Jetzt werden rechtliche Schritte in Erwägung gezogen.
Manfred Fischer, seines Zeichens Journalist, Vortragender und von den Organisationen Nominierter, sprach außerdem mit uns über die Probleme im ORF und warum er gerne im Publikumsrat gewesen wäre.
Die Basis der Proteste der Behindertenorganisationen bildet das ORF-Gesetz, § 28 (4), laut dem „Vorschläge von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für die nachstehenden Bereiche bzw. Gruppen repräsentativ sind“ eingeholt werden sollen und diese nominierungsberechtigt sind. Als Gruppe gelten in diesem Fall „die behinderten Menschen“ und deren repräsentative Vertreter. Das Ignorieren der fristgerecht eingebrachten Vorschläge mehrerer hochqualifizierter Vertreter widerspricht demnach der UN-Konvention und dem darin enthaltenen Selbstvertretungsrecht, sind sich die Behindertenorganisationen einig.
Hofer: „Nichts über uns ohne uns“ muss gelebt werden.
Statt einem selbst beeinträchtigten Menschen wurde – wie auch in der vorigen Periode – Erich Fenninger, seines Zeichens Sozialarbeiter und Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, mit der Vertretung der Interessen von Menschen mit Behinderung beauftragt. Behindertenanwalt Hansjörg Hofer (dzt. Karenzvertretung Buchingers) betont zwar, dass es von seiner Seite keinerlei Zweifel an der Qualifikation Fenningers gäbe, der Leitspruch „Nichts über uns ohne uns“ aber gelebt werden müsse – und das sei nun einmal nur mit einem Vertreter aus den eigenen Reihen möglich.
Bernadette Feuerstein (Obfrau SLIÖ) hingegen sieht es durchaus kritisch, dass sie in ihrer langjährigen Tätigkeit in der Szene noch keinen persönlichen Kontakt mit Erich Fenninger hatte. „Ich möchte keine Kritik an seiner Person üben, allerdings bezweifle ich schon seine Qualifikation.“ Fenninger habe in der Vergangenheit keinen direkten Kontakt zu den Selbstbestimmt-Leben-Organisationen gesucht und stehe damit für eine veraltete Haltung, die „über“ behinderte Menschen statt mit ihnen spricht, ergänzt Fischer.
Fenninger: Entscheidend ist, die Anliegen wirksam zu vertreten.
Erich Fenninger reagiert in einer Aussendung auf die Kritik an der Bestellung seiner Person: „Ich kann die Enttäuschung anderer KandidatInnen nachvollziehen und zweifle absolut nicht an deren Qualifikation. Auch das Selbstvertretungsrecht von behinderten Menschen unterstütze ich, und das wird aus meiner Sicht durch zahlreiche Organisationen auch hervorragend wahrgenommen. Aber entscheidend ist doch, ob die gewählte Person in diesem Gremium in der Lage ist, die Anliegen wirksam zu vertreten. Und das nehme ich für mich in Anspruch.“
Der Vorstandsvorsitzende der „Sozialwirtschaft Österreich“ Wolfgang Gruber unterstützt Erich Fenninger in dieser Haltung: „Die Sozialwirtschaft Österreich vertritt die Interessen von 325 Mitgliedern mit rund 50.000 MitarbeiterInnen, darunter auch viele Behindertenorganisationen. Ich habe Fenninger in seiner Funktion als stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialwirtschaft als sozial äußerst kompetenten und engagierten Interessensvertreter kennen und schätzen gelernt. Er ist ein anerkannter Sozialexperte und wird die Anliegen der Menschen mit Behinderung auch weiterhin gut vertreten.“
Beschwerde und Schlichtungsverfahren werden in Erwägung gezogen
Die Meinung der Behindertenorganisation zu Fenninger und seiner Bestellung in den Publikumsrat ist jedenfalls klar. Im Moment prüfen die Organisationen alle rechtlichen Möglichkeiten innerhalb des ORF-Gesetzes, denn sie wollen jedes Mittel von der Beschwerde bis zum Schlichtungsverfahren ausschöpfen. „Wir werden selbstverständlich das Gespräch mit Minister Ostermayer suchen, wir werden aber auch die BehindertensprecherInnen der im Nationalrat vertretenen Parteien auffordern, eine Dringliche Anfrage an den Minister zu stellen, wie diese Entscheidung für den Vertreter der Volkshilfe fallen konnte, der aus unserer Sicht für diesen Aufgabenbereich nicht repräsentativ ist“, kündigt Klaus Voget, Präsident des ÖZIV sowie des ÖAR, an.
Mag. Manfred Fischer im Gespräch:
Was wären Ihre Pläne bei einer Nominierung gewesen?
Das Wichtigste für mich ist es, zu sensibilisieren. Eines meiner Hauptthemen ist die Sprache und wie man Menschen für sprachliche Klischees sensibilisieren kann, um diese in Folge zu vermeiden. Keiner „leidet an einer Behinderung“ oder „ist an den Rollstuhl gefesselt“, allerdings sind das Äußerungen, die ich im ORF immer wieder höre.
Ein weiteres Klischee ist mir im Rahmen der vielgerühmten Paraolympics aufgefallen, wo immer die Rede davon war, dass jemand „trotz“ einer Behinderung erfolgreich war.
Mit solchen „armes Hascherl“-Klischees will ich aufräumen!
Was gehört im ORF geändert, was sind Ihre Verbesserungsvorschläge?
Neben den Dingen, die ich vorher schon genannt habe, sieht sich der ORF vor allem bereits als Weltmeister, was Bereiche wie Gebärdensprache, Dolmetschen usw. angeht. In der Realität aber gibt es gegenüber anderen Fernsehanstalten wie etwa der BBC noch großen Aufholbedarf.
AutorIn: Katia Kreuzhuber
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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