Am 28. Oktober 2010 fand die dritte öffentliche Sitzung des Monitoringausschusses, diesmal zum Thema „Schutz vor Gewalt“ statt. Unter Einbeziehung von nachgereichten Anmerkungen und Vorschlägen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat der Ausschuss nunmehr im Februar die engültige Version einer Stellungnahme beschlossen.
Der für die Überwachung der Einhaltung der UN Konvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ zuständige unabhängige Monitoringausschuss fordert in seiner jüngsten Stellungnahme verstärkte Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt an Menschen mit Behinderungen durch
- Ausbau inklusiver Bildung
- Einrichtung unabhängiger Kontrollbehörden
- Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Behinderung
Formen von Gewalt
Es werden für Haupttypen von Gewalt unterschieden: Körperliche Übergriffe und Verletzungen, Vernachlässigung, finanzielle Ausnützung, sexueller Missbrauch, psychischer Missbrauch.
Anschaulichere Beispiele werden ebenfalls angeführt, etwa:
- Übermäßige Medikamentengabe, Zurückhalten von Medikamenten
- Vorenthalten von Pflege- und Hilfstätigkeiten; Weigerung, die Unterstützung so durchzuführen, wie sie erwünscht ist; die Androhung, dass Pflegetätigkeiten nicht durchgeführt werden
- Fixierungen, gerade auch im Rahmen psychiatrischer Behandlung
- Vorenthalten von Flüssigkeiten
- Nicht-Akzeptieren von bzw. Eindringen in die Privatsphäre
- Schaffen von nicht erwünschter oder unnötiger Kontrolle über das Leben einer Person; Tratsch
- Geschlechtsverkehr, der nicht ausdrücklich von beiden gewollt wird
- Nicht-Beachten der Intimsphäre
- Übergriffe bei der Pflege: unerwünschte Berührungen bei Assistenzleistungen
Risikofaktoren
Der Bericht zählt eine Reihe von Risikofaktoren auf, die Gewalt an behinderten Menschen begünstigen. Darunter fallen etwa der Bildungsmangel, das Geschlecht bzw. die A-Sexualisierung, strukturellen Faktoren (Routinen, festgelegte Abläufe und institutionelle Zwänge) oder die Kommunikation (intellektuelle Beeinträchtigungen, Nonverbalheit und andere Kommunikationsbeeinträchtigungen).
Handlungsbedarf
Der Monitoringausschuss sieht Handlungsbedarf im Bereich der Prävention, bei der Einrichtung von unabhängigen Kontrollbehörden, beim Opferschutz sowie der Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens.
Ein zentraler Punkt bei der Gewaltprävention ist das Bildungssystem:
Inklusive Bildung ist ein zentraler Schlüssel, um die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen als gesamtgesellschaftliches Selbstverständnis zu verankern. Bildung hat eine hohe Präventionsfunktion in Bezug auf das Erlernen und Erkennen von Grenzen, um Übergriffe abwehren zu können und Grenzen benennen zu können. Auch die Sexualerziehung ist für die Prävention beachtlich.
Die Konvention schreibt außerdem die Einrichtung von unabhängigen Behörden vor, die wirksam alle Einrichtungen und Programme, die für Menschen mit Behinderungen bestimmt sind, überwachen können (Artikel 16). Weiters ist der effektive Zugang zur Justiz für behinderte Menschen zu gewährleisten (Artikel 13). Dabei ist nicht nur auf den Abbau baulicher Barrieren zu achten, sondern insbesondere auch auf die sozialen Barrieren. Dies umfasst z.B. Training für MitarbeiterInnen von Exekutive und Judikative.
Gewalt kann nie gänzlich ausgeschlossen werden, es können jedoch Machtstrukturen abgebaut werden, die Gewalt und Missbrauch begünstigen:
Gewalt und Missbrauch können überall vorkommen, im Familienkreis, am Arbeitsplatz, in Wohngemeinschaften und in Institutionen. Strukturen und institutionelle Abläufe erhöhen nachweislich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Machtgefüge bilden, innerhalb derer Macht missbraucht und Gewalt geübt wird. Je isolierter, segregierter und je stärker von institutionellen Abläufen eine Einrichtung abhängig ist, desto gewaltanfälliger ist eine Einrichtung, eine Wohnform.
Abschließend klare Worte zur UN-Konvention (Artikel 19), wo das Recht auf eine freie Wahl der Wohnform vorgeschrieben ist:
Die Grundprinzipien der Konvention sehen unter anderem Selbstbestimmung und Inklusion vor. Institutionen, die von einem hohen Maß an Fremdbestimmung gekennzeichnet sind und die Segregation bedingen, sind mit der Konvention nicht in Einklang zu bringen. Die Konvention schreibt ein Wahlrecht in Bezug auf die Wohnform vor, aus der Maximierung von Selbstbestimmung, der Ermöglichung von persönlicher Assistenz bzw. Unterstützung und dem Recht auf Inklusion ergibt sich zwingend die Förderung von Wohnformen auf Basis der Prinzipien der Konvention.
Download: MonitoringAusschuss Stellungnahme Gewalt und Missbrauch
Link:
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Quelle: monitoringausschuss.at
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): News, UN Behindertenrechtskonvention
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