Im Vergleich zu anstehenden Sparmaßnahmen erscheint das Sparpaket des vergangenen Jahres wie ein laues Lüftchen. Die enorme Zinslast für Staatsschulden wird die Bundesregierung zu harten Einschnitten zwingen. Am Sozialsektor wird keine Stein auf dem anderen bleiben.
Der Schuldenstand der Republik Österreich klettert auf neue Rekordhöhen. 208 Milliarden Euro lasten auf den Bürgern dieses Landes. Jeder Erwerbstätige trägt 51.000 Euro Schulden im Rucksack. jedem Neugeborenen werden 27.000 Euro an Verbindlichkeiten vermacht. Von der Einkommensteuer berappt jeder Erwerbstätige im Schnitt 1.900 Euro pro Jahr an Zinsleistungen für den enormen Schuldenberg. Der jüngst verabschiedete EU-Rettungsschirm bringt mit einem Schwung noch stattliche 13 Milliarden an Staatsschulden hinzu. 12 Milliarden musste der Finanzminister bereits im vergangenen Jahr beisteuern. Dank einer neuen – sprich: ehrlicheren – Berechnungsweise von Defizit und Schulden, die von der EU angesichts der Defizitschummeleien einiger Mitgliedsstaaten nun vorgeschrieben wird, steigt die Staatschuldenquote auf 72,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und das Defizit auf 4,6 Prozent.
Die Maastrichtkriterien, zu denen sich mit der Euro-Einführung auch Österreich bekannte, schreiben ein jährliches Höchstdefizit von 3,0 Prozent und eine Staatsschuldenquote von maximal 60 Prozent des BIP vor. Das heißt, dass der Finanzminister mittelfristig 4,64 Milliarden jährlich einsparen muss, um wieder auf die angepeilten 3,0 Prozent Neuverschuldung zu kommen. 3 Prozent Neuverschuldung befriedigen zwar die Währungswächter in Frankfurt, reduzieren jedoch noch nicht den Schuldenberg. Hier müssen zusätzlich noch einmal gut 35 Milliarden locker gemacht werden, um die 60prozentige Staatsschuldenquote wieder zu erreichen. Dem Staatsbürger stellt sich angesichts dieser schwindelerregenden die Zahlen die Frage, wer dies bezahlen wird und sollte bei der Gelegenheit mal in den Spiegel schauen.
Sozialausgaben oder Föderalimus – Wo wird der Sparstift angesetzt?
Es fehlen dem Finanzminister also jährlich 4,64 Milliarden und einmalig 35 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die gesamte im Jahr 2011 bilanzierte Einkommen- und Lohnsteuer aller Steuerpflichtigen beträgt 24,1 Milliarden Euro. Die Aufwendungen für Arbeitslosigkeit betragen vergleichsweise bescheidene 2 Milliarden, sämtliche Universitäten in Österreich lukrieren magere 2,8 Milliarden, die Gehaltssumme aller Pflichtschullehrer beläuft sich auf 3,3 Milliarden Euro jährlich. Das gesamte Sozialbudget beläuft sich auf unter 18 Milliarden Euro. Obwohl der Sozialbereich chronisch unterfinanziert ist, wird hier wohl zuerst angesetzt werden. Der jüngste Sparkurs der steiermärkischen Landesregierung zeigt bereits, wohin die Reise geht. Wie viel vom Sozialstaat dann überbleiben wird, scheint ungewiss.
Dabei gäbe es durchaus Einsparungspotenzial in Bereichen, die nicht die sozial Schwächsten träfe: Ungeheure 22 Milliarden gehen aus dem Bundesbudget jährlich an die Bundesländer. Dort wird neben der Leistung wichtiger Aufgaben (Soziales, Pflichtschulen, Infrastruktur, etc.) vor allem eines gemacht: verwaltet. Und zwar neunfach: Neun Bundesländer, neun Landesregierungen, neun Landtage, neun Sozialversicherungsdirektionen, neun Bundessozialämter, etc. Dass hier eine Verschlankung der Regionalverwaltung eine erhebliche Entlastung für das Budget darstellen würde, ist allgemeiner Konsens. Außer bei den Landeshauptleuten freilich, die ihre Macht mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Herstellung von Steuergerechtigkeit
Ebenfalls ungenützt lässt der österreichische Finanzminister ein breites Spektrum an Steuern, die international durchwegs üblich sind: Vermögensteuern und Erbschaftssteuern gibt es in praktisch jedem EU-Staat. Nicht so in Österreich. Während die Einkommensteuerpflichtigen unter einer international rekordverdächtigen Steuerlast ächzen, erfreuen sich Vermögensbesitzer einer großzügigen Nullbesteuerung. Besonders geschont werden auch Stiftungsvermögen, deren Eigentümer auch nicht gerade zu den Hungerleidern der Nation gehören. Freilich ist in diesem Bereich Vorsicht walten zu lassen: Kapital verlässt in Zeiten der Globalisierung rasch das Land, wenn ungeschickt vorgegangen wird.
Dass wir Schrittweise an Steuerniveaus für Großvermögen und Erbschaften in der Region von nicht gerade als Zentren des Sozialismus bekannten Staaten wie Deutschland, der Schweiz und den USA herankommen sollten, wird wohl schon alleine das Prinzip der Steuergerechtigkeit erforderlich machen. Und da ist es letztlich zweitrangig, ob es 500 Millionen oder zwei Milliarden sind, die durch diese Maßnahmen lukriert werden.
Warm anziehen oder Solidarität in Zeiten der Krise?
Die Finanzkrise ist im Großen und Ganzen überstanden. Die Wirtschaft wächst, die Banken schreiben Gewinne, die Immobilienpreise steigen wieder, die Aktienkurse sind stabil. Zu sagen, dass der Aufschwung nicht bei den Bürgern ankommt, wäre jedoch eine Untertreibung: Der Bürger zahlt noch über Jahrzehnte die Zeche. Warm anziehen mag da die Devise lauten. Steuern für Vermögende und Kuponschneider werden kommen, sie werden eine gewisse Gerechtigkeit schaffen, jedoch bei weitem nicht ausreichen. Die meisten Banken werden ihre Nothilfen gewissenhaft abtragen, einige wenige scheinen jedoch – man blicke nach Klagenfurt – neue Überraschungen für den Finanzminister parat zu haben. Nicht alle Bürgschaften werden schlagend werden, doch auch schon ein kleiner Teil genügt, um große Wirkung zu erzielen.
Das Gros der Belastungen werden letztlich die Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen tragen und nicht zu knapp die sozial Schwächsten über Einsparungen im Sozialbudget. Die Einsparungen werden das Wirtschaftswachstum dämpfen, was die Steuereinnahmen beeinträchtigt und wieder neue Einsparungen nach sich zieht. Ein Kreislauf beginnt sich zu drehen. Verlassen können wird man sich einzig auf den Populismus: Auf den billigen Populismus gegenüber Ausländern, die weitgehend unbedankt an der Tilgung der Staatsschulden mitarbeiten und dafür mit schikanösen Fremdengesetzen bedacht werden, und auf den teuren Populismus gegenüber den Landesfürsten, die über Regionalmedien ihren Machtanspruch im überbordenden Föderalismus zu behaupten trachten werden.
Doch die Herrschenden sollten nicht die Intelligenz ihrer Bürger unterschätzen: Es gibt auch Anzeichen für eine Neuorientierung in der Gesellschaft: In den neuen Informationskanälen rumort es schon lange. In Foren, auf Facebook und über Twitter macht sich Unmut bereit. Mitunter höchst disparate Forderungen werden aufgestellt: Entlastung der „Leistungsträger“ vs. Unterstützung der „Prekarianer“, Reduktion der Steuerquote vs. Finanztransaktionssteuer, Eigenverantwortung vs. sozialer Ausgleich.
In einer Demokratie geht es jedoch nicht um Harmonie und Meinungsuniformierung. Es darf gestritten werden. Am Ende des Tages hat jedoch der Kompromiss zu stehen. Ob es faule Kompromisse sind oder produktive, liegt letzten Endes am Souverän, den Bürgern. Und vielleicht müssen sich ja eines Tages noch die Populisten warm anziehen?
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 26.08.2020
Artikel-Kategorie(n): Behindertenpolitik, News
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