Der vorliegende österreichische Frauengesundheitsbericht 2010/2011 des Bundesministeriums für Gesundheit zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen der Gesundheitsversorgung, der Medizin und im psychosozialen Umfeld auf. Lebenswelten, Rollenbilder und gesellschaftliche Gesundheitsdeterminanten werden in diesem Bericht von ExpertInnen analysiert, Handlungsfelder werden aufgezeigt und mit statistischen Daten untermauert. Daraus wird ersichtlich, dass Männer und Frauen Unterschiede im Gesundheitsverhalten, im Krankheitserleben und in der Bewältigung von Krankheit aufweisen.
Laut Bericht bestehen für behinderte Menschen kaum geschlechtsspezifische Gesundheitsangebote. Wenn es um Schwangerschaft, Geburt und Kinder geht, werden behinderte Frauen und Mädchen häufig diskriminiert, da die Gesellschaft ihre sexuelle Aufklärung, gynäkologische Versorgung und Mutterschaft noch immer kritisch „beäuge“.
Im Bericht heißt es weiter: Frauen mit Behinderungen werden durch behinderungsspezifische, individuelle, strukturelle als auch geschlechtsspezifische Benachteilungen zusätzlich belastet. Die Lebenssituation von Frauen mit Behinderungen unterscheidet sich in vielen Aspekten von nicht behinderten Menschen und Männern mit Behinderungen: in ihrer Sozialisation, in ihrem Zugang zu Bildung, in ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt, in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe und Möglichkeit zur Interessensvertretung, aber auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Erwartungen, die an sie gestellt werden. Im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen weisen Frauen mit Behinderungen einen höheren Unterstützungsbedarf auf. Ausgehend von den Thesen der doppelten Diskriminierung und Intersektionalität besteht heute ein Konsens darüber, dass Frauen mit Behinderungen mehrfachen und multidimensionalen Diskriminierungen ausgesetzt sind.
Gefördert durch die Abhängigkeit von der Hilfe anderer, durch das fremdbestimmte Leben in Institutionen, durch eine prekäre Lebenssituation und durch finanzielle Abhängigkeiten machen Frauen mit Behinderungen öfter persönliche Gewalterfahrungen als Frauen ohne Behinderungen. Nicht zu vergessen sind ebenso Mobbing in der Ausbildung und am Arbeitsplatz wie auch Übergriffe im öffentlichen Raum.
Hinsichtlich einer vollständigen Wahlfreiheit der medizinischen Versorgung, d.h. zum Arzt des Vertrauens oder zu den Beratungsstellen zu gehen, scheitern behinderte Menschen noch immer an verschiedenen Barrieren: den baulichen Barrieren wie Treppen oder zu enge Lifte. Durch das Fehlen von barrierefreien Untersuchungsgeräten im Falle von speziellen behinderungsspezifischen Bedürfnissen ist die Wahlfreiheit bei einzelnen Patientinnen nicht gegeben, so Annemarie Srb-Rössler von BIZEPS. Die Wahlfreiheit scheitert weiters an der Kostenbarriere durch die Ökonomisierung der medizinischen Versorgung und durch mangelndes Angebot in der Versorgung von Assistenzdienstleistung.
Abschließend heißt es im Kapitel „Lebenslagen von Frauen mit Behinderung“: Es liegt in der Verantwortung einer solidarischen Gesellschaft, Menschen mit Behinderung die notwendigen Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam soll ihnen sein, dass sie ausgleichend sind und ohne Bevormundung eine chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Wichtig ist, dass die betroffenen Menschen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.
Die vollständige Version des Frauengesundheitsberichts 2010/2011 finden Sie unter folgendem Link:
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): News
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