Im Jahr 2017 wird sich entscheiden, ob die Stadt Wien die Persönliche Assistenz in eine gute und nachhaltig abgesicherte Zukunft oder in den Abgrund führen wird. Ein Kommentar von Thomas Stix.
Angefangen hat alles 2006 mit dem „Pilotprojekt Persönliche Assistenz“. 21 amtsbekannte behinderte Menschen mit Assistenzbedarf bekamen 2 Jahre lang jedes Monat einen Betrag zur Finanzierung von PA. Das Geld musste zweckgebunden für Assistenz verwendet werden, entweder bei einem Dienstleister (z.B. WAG) eingekauft oder im Arbeitgebermodell an Angestellte oder Selbständige ausgezahlt. Jedes Monat musste die artgerechte Verwendung des Geldes durch Belege und Formulare an den Fonds Soziales Wien (FSW) nachgewiesen werden.
Der darauffolgende Evaluationsbericht des Kompetenzzentrums für Soziale Arbeit der FH Campus Wien Department Soziales stellte dem Projekt ein gutes Zeugnis aus und im Kontrollamtsbericht der Stadt Wien stellte der FSW selbst fest, dass die Kosten von PA jene einer herkömmlichen Betreuung nicht übersteigen würden.
Im Jahr 2008 wurde das Pilotprojekt in eine Regelleistung überführt, die mit dem sperrigen Namen Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz (PGE) getauft wurde und ganz ähnlich dem Pilotprojekt abläuft.
Zurecht wurde die Einführung der PGE durch Stadträtin Sonja Wehsely damals als „Meilenstein“ bezeichnet. Experten waren sich zwar schon damals der Schwächen dieses Regelwerks bewusst (etwa die fehlende echte Wahlfreiheit zw. Arbeitgeber- und Dienstleistungsmodell, die Ausgrenzung von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die fehlende jährliche Valorisierung…), aber trotzdem eröffnete es hunderten behinderten Menschen in Wien erstmals die Möglichkeit, selbstbestimmt mit Assistenz zu leben.
Was darauf folgte, war jedoch politischer Stillstand. In all den Jahren wurde der ohnehin sehr niedrig bemessenen Stundensatz von € 16,– nicht erhöht. Viele Persönliche Assistenten, die auf Basis von Freien Dienstverträgen arbeiten, erhielten deshalb jahrelang den selben Stundenlohn. Nach fast 10 Jahren bedeutet das schon eine erhebliche Wertminderung.
Die Stadt Wien hat bisher keine Signale ausgesendet in Richtung Verbesserung der Situation, im Gegenteil – es klingt fast wie Hohn, stimmt aber – die geringfügige Pflegegelderhöhung Anfang 2016 wurde damals sogar wieder von der PGE abgezogen, sodass behinderte Assistenzbezieher gar nichts von der Erhöhung hatten.
Nun steht im Jahr 2017 eine massive Veränderung in der „Assistenzlandschaft“ an: Die WAG Assistenzgenossenschaft wird erstmals seit ihrem Bestehen 2002 den Preis für eine Assistenzstunde erhöhen, und zwar von € 22,– auf € 25,–. Diese Erhöhung ist per 01.07.2017 angekündigt. Früher oder später wird mit einer Erhöhung auf € 28,– gerechnet.
Das wird massive Auswirkungen auf hunderte behinderte Menschen haben, die – wenn Stadträtin Wehsely nicht schleunigst ihren Kopf aus dem Sand zieht – dadurch auf einen erheblichen Teil ihrer Assistenzstunden verzichten werden müssen (mit allen negativen Konsequenzen für ihre Gesundheit und ihre Selbstbestimmung). Oder die Assistenten werden scharenweise von der WAG abgezogen und unfreiwilligerweise unter schlechteren Bedingungen im Arbeitgebermodell beschäftigt werden.
Wird die Stadt Wien weiter untätig sein, so wird uns der zerbröselnde „Meilenstein PGE“ bald ein Lied singen können: das „Lied vom Scheitern, wenn man nichts tut“.
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 30.12.2016
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
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