Sind behinderte Menschen bei den Rechten genauso inkludiert, wie wenn es um Pflichten und Einschränkungen geht? Gerade die Corona-Krise zeigt auf, wie groß der Inklusions-Missstand hierzulande ist. Ein Kommentar von Thomas Stix.
Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung steht heuer – so wie alles derzeit – im Zeichen der weltweiten Coronavirus-Pandemie. Physischer Protest wird heuer nicht möglich sein, eine Einschränkung der Menschenrechte, die wohl sein muss. Genauso, wie so zahlreiche Einschränkungen von Rechten, die uns derzeit auferlegt werden, und es ist Tatsache, dass diese Einschränkungen behinderte Menschen noch mehr treffen als andere.
Die Volksanwaltschaft hat etwa davon berichtet, dass Heimbewohnern zuweilen untersagt wird, nach draußen zu gehen, kurz Spazieren zu gehen (was nach den gesetzlichen Regelungen eigentlich erlaubt ist), weil dies eine Gefahr für alle anderen darstellt. Wir behinderten Menschen müssen das schlucken. Da gibt’s kein Pardon. Und wir tun es. Wir sind verantwortungsvoll. Wir verhalten uns so, wie es für die Gesellschaft gut ist. Wir sind ja Teil dieser Gesellschaft!
Und genau so ist das nämlich: Wenn es um Pflichten und Einschränkungen geht, dann funktioniert das mit der Inklusion wunderbar, zu 100%, oft sogar zu 110% und mehr, weil uns oftmals mehr abverlangt wird, wie den anderen.
Aber wie sieht es aus mit der Inklusion hinsichtlich unserer Rechte? Wie sieht es aus, wenn es um die Pflichten der Politik und der Verwaltung uns Behinderten gegenüber geht? Funktioniert da die Inklusion auch so wunderbar, sind wir da genauso Teil der Gesellschaft?! – Mitnichten!
Politik und Behörden sind massiv säumig, was die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention betrifft. Hier herrscht seit Jahren Stillstand und Abbau. Gerade vorige Woche haben wir z.B. von einem behinderten Mann in Oberösterreich erfahren, der nun schon seit 7 Jahren auf der „Warteliste“ für die Bewilligung von Persönlicher Assistenz steht. Er muss buchstäblich drauf warten, bis ein PA-Bezieher stirbt, damit wieder Mittel frei werden. So zynisch ist die oberösterreichische Verwaltung.
Das Beispiel Wien ist hier schon öfters vorgekommen. Im Jahr 2008 wurde ein System zur Finanzierung von Persönlicher Assistenz geschaffen, mit dessen Umsetzung der Fonds Soziales Wien betraut ist. Auch hier hat sich seither nichts weiterentwickelt. Der geförderte Stundensatz ist gleich geblieben, das bedeutet eine inflationsbedingte Wertminderung von etwa 25%. Die Kosten für Assistenz steigen jedoch. Bei der WAG Assistenzgenossenschaft etwa bezahle ich heute € 27,90 für eine Assistenzstunde, die Förderung vom FSW beträgt € 16,–. Im Jahr 2008 kostete die Assistenzstunde € 22,–.
Ich protestiere heute, am 5. Mai 2020, gegen die Untätigkeit der Politik und Verwaltung in Sachen Behindertenpolitik. Ich fordere Integration, Gleichstellung, Inklusion hinsichtlich unserer RECHTE!! Ich fordere, dass die Politik und Verwaltung die PFLICHTEN, die sie uns Menschen mit Behinderung gegenüber hat, wahrnimmt!
Ich protestiere dagegen, dass uns willkürlich RECHTE nicht gewährt werden! Ich will meine RECHTE genauso haben, wie mir meine PFLICHTEN abverlangt werden!
Thomas Stix
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 12.05.2020
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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