Mit der Pflegereform wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschaffen, um den Gesundheits- und Sozialbereich zu unterstützen. Doch nicht alle Berufsgruppen werden gleichermaßen berücksichtigt: Sozialbetreuer:innen bleiben vielfach auf der Strecke und erhalten auch sonst nicht die Anerkennung, die ihnen eigentlich zustehen müsste.
Der Pflegekräftemangel ist präsent. Und das nicht nur in Krankenstationen und Pflegeheimen, sondern auch in den Medien und in den Köpfen der Menschen. Überall liest man von fehlendem Pflegepersonal. Die Pandemie hat die Aufmerksamkeit für diese – zweifellos wichtige – Berufsgruppe zusätzlich erhöht. Während nun auch von politischer Seite gesetzliche Maßnahmen zur Aufwertung der Pflege folgen, erhält eine andere – mindestens ebenso wichtige – Berufsgruppe nur wenig Beachtung: Sozialbetreuer:innen scheinen bei Presse, Pandemie und Pflegereform vergessen worden zu sein. Warum das so ist, darüber kann nur spekuliert werden. Wesentlich ist jedoch, dass es sich hierbei um ein hochrelevantes Berufsfeld handelt, das leider oft unterschätzt wird.
Sozialbetreuung ist Zukunftsberuf
Sozialbetreuung ist ein wesentlicher Pfeiler unserer Gesellschaft. Ob im Bereich der Behindertenarbeit, der Familienarbeit oder in der mobilen und stationären Betreuung für ältere Personen – der Bedarf an Sozialbetreuungsberufen ist ungebrochen hoch und wird auch in Zukunft weiter steigen. Auch während der Pandemie waren Sozialbetreuer:innen durchgehend im Einsatz – und oft an ihren Grenzen. Dennoch hat es anscheinend nur der Pflegebereich geschafft, das gesellschaftliche Ansehen für sich zu gewinnen.
Ausbildungstrend zur Pflege?
Die letzten zwei Jahre lassen geradezu einen „Trend“ zu Pflegeberufen erkennen. Neue Ausbildungen werden angeboten, darunter auch Hochschulstudiengänge wie an der Pflegeakademie. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird mit der HLSP (Höhere Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege) erstmals ein Schultyp ins Regelschulwesen überführt, der die Matura mit einem Abschluss wahlweise als Pflegefachassistenz oder Diplomsozialbetreuer:in kombiniert. Dass auch hier die Pflege hervorgehoben wird, macht bereits der Ausdruck „Pflege mit Matura“ deutlich, mit dem die Schule in Medienberichten angekündigt wurde.
Der bisher zweijährige Schulversuch zeigt ebenfalls eine klare Tendenz zur Pflege seitens der Schüler:innen: Etwa 2/3 entscheiden sich für die Pflegefachassistenz, 1/3 für den Abschluss als Diplomsozialbetreuer:in. In manchen Bundesländern wurde der Ausbildungsweg zur Diplomsozialbetreuung gar nicht erst angeboten. „Man liest immer nur vom Mangel an Pflegefachkräften, die Sozialbetreuer:innen werden da schlicht vergessen, obwohl der Bedarf genauso groß ist. Und es ist leider immer noch so, dass nicht beiden Berufsgruppen die gleiche Wertigkeit zukommt“, erzählt eine Direktorin.
Bei Pflegereform ungleiche Gewichtung
Die ungleiche Wertigkeit von Pflege und Sozialbetreuung wird nicht zuletzt in der groß angekündigten Pflegereform deutlich. Während Pflegeausbildungen in unterschiedlichsten Varianten, sowohl für Um- als auch Einsteiger:innen gefördert werden, erhalten Auszubildende für Sozialbetreuungsberufe nur vereinzelt, und nur in Kombination mit Elementen der Pflegeausbildung, finanzielle Unterstützung. Betreuungspersonal oder Persönliche Assistent:innen von Menschen mit Behinderungen, welche in der Regel keine pflegerische Qualifikation haben, werden von der Reform gar nicht erfasst. Allgemein wird der Sozialbetreuung im Rahmen der Pflegepakets nur eine sehr untergeordnete Rolle zugeteilt. Dass die Pressekonferenz zur Verkündung der Wiener Pflegeprämie in einer Klinik stattfand, welche klar den Pflegebereich repräsentiert, verwundert angesichts der genannten Tatsachen nicht.
Die ungleiche Wertschätzung von Pflege und Sozialbetreuung ist präsent. In den Medien, in der Politik und in den Köpfen der Menschen. Sozialbetreuer:innen sind in unserer Gesellschaft unverzichtbar und erhalten dennoch wenig Anerkennung und Unterstützung. Es liegt auf der Hand, dass eine Reform, die auf selektiver Wahrnehmung beruht und ebenso selektiv Maßnahmen setzt, nur wenig in einem so komplexen System wie dem Gesundheits- und Sozialwesen verändern kann. Es braucht vielmehr politische Entscheidungsträger:innen, die nicht nur Tabellen und Statistiken lesen, sondern sich mit dem tatsächlichen Arbeitsalltag und den Anforderungen der Fachkräfte des Sozialbereichs auseinandersetzen. Denn dann wird schnell klar, dass es mehr Ressourcen und Wertschätzung für die Sozialbetreuungsberufe braucht.
Alice Bauer
Redaktion Behindertenarbeit.at
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AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 28.11.2022
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