Einzigartiges Serviceangebot der Hilfsgemeinschaft und Universität Linz für visuell beeinträchtigte Menschen revolutioniert Zugang zu mathematischen Inhalten.
Die Darstellung mathematischer Formeln mit ihrer Vielzahl von Symbolen gehört zu den schwierigsten Aufgaben im Bereich der Brailleschrift. Durch das neu entwickelte Onlineportal www.mathinbraille.at haben blinde Menschen jetzt die Möglichkeit, bislang unzugängliche mathematische Inhalte einfach und kostenlos in lesbare Braille- und Sprachformate zu konvertieren.
Weltweit existiert noch immer kein einheitliches Braillesystem für die Darstellung von Mathematik, auch wegen der nationalen Unterschiede zwischen den Brailleschriften in verschiedenen Sprachen. Blinde und sehbehinderte Menschen haben daher große Schwierigkeiten beim Lesen mathematischer Inhalte. Diesem Problem widmete sich das Projekt MathInBraille, das 2010 von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs in Kooperation mit dem Institut Integriert Studieren der Johannes Kepler Universität Linz ins Leben gerufen wurde.
„Der Zugang zu Texten in Brailleschrift hat sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Anders ist die Situation bei mathematischen Formeln, die meist nicht oder nur unzulänglich bereitgestellt werden“, fasst Univ.-Prof. Dr. Klaus Miesenberger die Ausgangssituation zusammen. „Mit MathInBraille haben wir eine einfache, internetbasierte Lösung zur Verfügung gestellt, die bei Bedarf in der Praxis, also im Alltag, in der Schule, an der Universität schnell und einfach anzuwenden ist“, erläutert der Projektleiter das Potenzial des Onlineportals.
Aufwändige Entwicklungsarbeit
Bei der aufwändigen Entwicklung des innovativen Webservice galt es komplexe Herausforderungen zu bewältigen. So musste ein 8-Punkte-Braillesystem für mathematische Inhalte neu definiert werden, das sich zum Lesen auf der Braillezeile am Computer eignet. Die visuelle Darstellung von zweidimensionalen Formeln, wie z. B. √(a²+4)/8 wurde auf die lineare, eindimensionale, taktile Ebene von Brailleformaten heruntergebrochen. Um eine brauchbare Sprachausgabe generieren zu können, musste ein verbales Mathematiksystem definiert werden. Das ist eine Vorschrift, wie mathematische Inhalte vorgelesen werden müssen, um überhaupt verständlich zu sein. Informatiker der Universität Linz entwickelten die Softwaremodule zur Implementierung in die frei zugängliche Konvertierungsdatenbank MathInBraille.
Blinde und sehbehinderte User können jetzt mithilfe des neuen Onlineportals ganz einfach die Heronsche Flächenformel oder den Satz des Pythagoras in Braille- oder Sprachformate konvertieren.
Beitrag zur inklusiven Bildung
Die Onlineplattform ist ein gelungenes Beispiel, wie das Internet zum Abbau von Barrieren verwendet werden kann: „MathInBraille ist ein wichtiger Beitrag zum Abbau der digitalen Kluft und ein innovativer Schritt in Richtung inklusive Bildung“, ist Mag. Irene Vogel, Geschäftsführerin der Hilfsgemeinschaft, überzeugt. Schüler und Studierende, aber auch alle anderen blinden und sehbehinderten Personen, die sich beruflich oder in ihrer Freizeit mit Sach- und wissenschaftlicher Literatur beschäftigen, können von MathInBraille profitieren.
Die Projektmitarbeiter der Hilfsgemeinschaft, Mag. Klaus Höckner und Mag. Daniele Marano, sind mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden und weisen auf die großen Vorteile des webbasierten, kostenlosen Services hin: „Der Benutzer muss keine zusätzliche Software auf seinem Computer installieren, um mathematische Formeln zu konvertieren. Von jedem PC mit Internetanschluss können mathematische Texte in einem für die Braillezeile bzw. Sprachausgabe geeigneten Format erzeugt werden.“
Finanzierung durch die IPA
Das Förderprogramm Netidee 2010 der gemeinnützigen Internet Foundation Austria (IPA) hat das Projekt MathInBraille finanziert. Dabei handelt es sich um ein Folgeprojekt des ebenfalls von der IPA geförderten, äußerst erfolgreichen Webservice RoboBraille-Deutsch (www.robobraille.at). Nichtkommerzielle Anwender können damit kostenlos elektronische Dokumente in Blindenschrift oder synthetische Sprache konvertieren. Dadurch wird der Zugang zu Information und Bildung für visuell beeinträchtigte Menschen und Personen mit Lese-/Schreibschwäche wesentlich erleichtert. Der RoboBraille-Service ist derzeit in 15 Sprachen verfügbar.
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Quelle: Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs
AutorIn: Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Hilfsmittel und Therapien, News
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