PRENET warnt: Bluttest in der Frühschwangerschaft ist keinesfalls harmlos. Probleme der Pränataldiagnostik bleiben bestehen bzw. werden sogar verschärft.
Mit großem medialen Aufwand wurde im August in Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und Österreich ein Bluttest auf den Markt gebracht , mit dem im Blut der Mutter beim ungeborenen Kind ein Down Syndrom diagnostiziert werden kann. Der Test verspricht, so Hersteller LifeCodexx, „ohne Gefahr für Mutter und Kind“ zu sein. Er soll eine „verlässliche Information liefern, ob ein Kind mit Behinderung zu erwarten ist“. Argumentiert wird auch damit, dass durch den frühen Untersuchungszeitpunkt ein eventueller Schwangerschaftsabbruch weniger belastend für die werdende Mutter sei.
Tatsächlich ist der Test eine technische Weiterentwicklung von Vorhandenem. Kindliche Zellen müssen nicht mehr wie bisher im Rahmen einer Biopsie aus Plazenta oder Fruchtwasser entnommen werden, was mit einem Fehlgeburtsrisiko verbunden ist. Sie können direkt aus dem Blut der Mutter entnommen werden.
Dennoch offenbart sich in der medialen Berichterstattung rund um den Bluttest das ethische Dilemma der pränatalen Diagnostik. Fast alle ExpertInnen befürworten den Einsatz des Tests, weil er kein gesundheitliches Risiko darstelle. Fast verschämt wird allerdings in den meisten Berichten verschwiegen, dass es in der Praxis bei einem positiven Befund eines Down Syndroms in fast allen Fällen zu einem Abbruch der Schwangerschaft kommen wird.
Wird bei anderen Methoden der pränatalen Diagnostik immer wieder darauf hingewiesen, dass sie auch therapeutischen Zwecken dienen könnten, hat der gegenständliche Bluttest den einzigen Zweck, das Leben eines Menschen mit Behinderung zu verhindern.
Grundsätzliche Probleme der pränatalen Diagnostik bleiben damit also bestehen, werden sogar noch verschärft. Dazu gehören:
- mangelnde Information der werdenden Eltern über die Methoden und über das Beratungsangebot für die Entscheidung vor der Diagnostik oder bei einem positiven Befund,
- falsche Erwartungshaltungen in Bezug auf die Interpretationsmöglichkeiten der Ergebnisse
- kaum, bzw. – wie im Fall des Bluttests – gar keine Behandlungsmöglichkeiten nach einem auffälligen Befund. bis hin zur
- Erwartungshaltung, Behinderung sei vermeidbar, ja müsse sogar vermieden werden.
Druck auf werdende Mütter/Eltern wird steigen
Der Druck auf werdende Mütter / Eltern, pränataldiagnostische Tests in Anspruch zu nehmen, ist schon jetzt groß und wird angesichts der scheinbaren Harmlosigkeit des Bluttests weiter steigen. Eine selbstbestimmte Entscheidung der schwangeren Frau / des Paares in dieser Situation ist kaum mehr möglich. Für schwangere Frauen wird es immer schwieriger über ihren Körper und ihre Schwangerschaft zu bestimmen.Die Solidarität mit Frauen / Paaren, die ein Kind mit Down Syndrom bekommen, wird weiter sinken, da die Behinderung „vermeidbar“ gewesen wäre.
Angesichts der aktuellen Probleme fordert PRENET kurzfristig
- Eine umfassende Aufklärung werdender Mütter/Eltern vor Inanspruchnahme aller pränataldiagnostischer Maßnahmen.
- Die Verpflichtung eine Bedenkfrist einzuhalten, die zwischen Aufklärung über pränataldiagnostische Maßnahmen und deren Durchführung liegt, sodass Frauen/Paare die Chance haben, sich unabhängig beraten zu lassen.
- Eine Bedenkfrist nach Mitteilung eines positiven Befundes und der Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch von zumindest drei Werktagen
- Die Bereitstellung eines bundesweiten, niederschwelligen, von medizinischen Institutionen unabhängigen Angebotes psychosozialer Beratung
- Die Hinweispflicht von behandelnden GynäkologInnen auf unabhängige psychosoziale Beratung
- Eine Dokumentationspflicht der medizinischen Aufklärung, der Bedenkzeit und des Hinweises auf Beratung im Mutter-Kind-Pass
- Eine bundesweite Erhebung über die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund eugenischer Indikation
- Eine Aus- und Weiterbildung von ÄrztInnen über das Leben von Frauen und Männern, die mit den Behinderungen leben, die sie pränatal diagnostizieren können
- Eine ganzheitliche Schwangerenbetreuung mit frühzeitiger Einbindung von Hebammen.
Gez.
Helene Göschka, Edeltraud Voill, Robert Mittermair
(SprecherInnen von PRENET)
Rückfragehinweis: Helene Göschka, Tel.: 0680/20 72 944.
PRENET ist ein Netzwerk aus vielen Organisationen und Einzelpersonen (mit sehr unterschiedlichen weltanschaulichen Hintergründen), das sich seit 2007 kritisch mit dem Thema Pränataldiagnostik und der damit verbundenen gesellschaftlichen Problematik auseinandersetzt.
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Quelle: PRENET
AutorIn: PRENET
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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