Für die neunte Sendung ohne Barrieren hat Thomas Stix Marianne Schulze als Gesprächspartnerin interviewt. Themen sind die Behindertenrechtskonvention und der MonitoringAusschuss.
Moderation: Martin Habacher
Produktion: Zitronenwasser TV
Audioscript des Interviews
(TS = Thomas Stix, MS = Marianne Schulze)
TS: Frau Schulze, Sie sind seit Beginn der Tätigkeit des MonitoringAusschusses Vorsitzende. Der MonitoringAusschuss hat in Österreich eine sehr wichtige Tätigkeit: Er überwacht die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention… eine sehr – wenn man politische Zeiträume sieht – junge Einrichtung. Warum gibt’s diese Behindertenrechtskonvention? Man möchte meinen behinderte Menschen sind auch einfach Menschen und warum genügt es nicht, einfach die Menschenrechte einzuhalten?
MS: Das ist eine sehr gute Fragestellung. Es sollte, wie Sie sagen, die Menschenrechte die wir kennen einzuhalten. Es ist aber so, dass in der Praxis Menschen mit Behinderungen vielfach diskriminiert werden, vielfach übersehen werden, das ist auch bei den Menschenrechten so. Wenn man sich die verschiedenen Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen und des Europarats ansieht, dann sieht man, dass Menschen mit Behinderungen dort nicht vorkommen. Das ist rechtlich gesprochen der Hauptgrund, warum es die Konvention gebraucht hat, klar zu stellen, dass eben Beeinträchtigung bzw. Behinderung auch ein Grund ist, der berücksichtigt werden muss in der Umsetzung von Menschenrechten. Die Konvention formuliert den Menschenrechtskatalog in barrierefreier und inklusiver Art und Weise, macht damit deutlich, an welchen Punkten im Leben – und das sind sehr, sehr viele – Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen werden, die Konvention macht aber auch deutlich, dass wir einen Paradigmenwechsel brauchen weg vom Focus auf das vermeintliche Defizit der Person hin zu den sozialen Barrieren, den Barrieren in den Köpfen der Allgemeinbevölkerung, weg aber auch von diesem Almosendenken über Menschen mit Behinderungen hin eben zu Rechtsansprüchen, und weg schließlich auch von diesem Hilfeparadigma, von diesem Paternalismus vis-a-vis Menschen mit Behinderungen, wonach man für sich in Anspruch nimmt, besser zu wissen was Menschen mit Behinderungen brauchen.
TS: Der MonitoringAusschuss hat eine Geschäftsordnung, und da… wenn man sich die durch liest und jetzt nichts über den Ausschuss weiß, dann möchte man meinen, da arbeiten 50 Vollzeitstellen um diese Aufgaben zu erfüllen. Da steht ja z.B. auch drin: Arbeit in den Schulen, da steht drin, dass Einzelpersonen sich hinwenden können, da stehen eben sehr, sehr umfangreiche Aufgabengebiete drin. Derzeit arbeiten aber nur 7 Mitglieder und 7 Ersatzmitglieder – und diese sind alle ehrenamtlich tätig. Ist das jetzt ein Anfang uns sollte weiter ausgebaut werden?
MS: Das ist eine ganz wichtige Frage. Der MonitoringAusschuss ist eine klassische österreichische Lösung. Von der internationalen Ebene – sprich, der Konvention – ist sehr klar vorgegeben, dass das eben, so wie Sie sagen, ein Unterfangen mit mind. 50 Personen sein muss, sprich, ein adequat ausgestattetes Gremium, das in einer nachhaltigen Art und Weise die Einhaltung dieser Konvention überprüfen kann, was wichtigerweise eben auch bedeutet, dass man auf Einzelfälle, auf Individualbeschwerden auch eingehen kann, was wichtigerweise auch bedeutet, dass man etwas zur Bewusstseinsbildung tun kann. Jetzt hat Österreich 2008 anlässlich der Ratifizierung – also des Beitritts zu dieser Konvention – festgehalten, dass diese recht umfassend schon angewendet wird, sprich, dass die Rechte in dieser Konvention bereits umgesetzt werden. Daher ist es logisch, dass man den Ausschuss so eingerichtet hat, dass er eigentlich nichts zu überprüfen hat, deshalb ein Gremium, das kein Budget hat, das aus 7 Mitgliedern besteht, von denen man annimmt, dass sie das nebenberuflich sehr locker unterbringen können. Anspruch und Wirklichkeit klaffen jetzt ein Stück weit auseinander; man sieht, dass die Konvention sehr viel Bewusstseinsarbeit braucht, sehr viele Stellen braucht, die Unterstützung brauchen, in dem wie man die Konvention interpretiert, in dem wie man sie anwendet, und in diesem Dilemma szs. bewegen wir uns. Die Geschäftsordnung versucht, den internationalen Vorgaben gerecht zu werden, versucht darzulegen, wohin es gehen muss. Es war, glaub ich, unser aller Hoffnung, dass relativ bald eingesehen wird, dass es da mehr Ressourcen braucht. Derzeit sehe ich diesen Gedankenwandel an den zuständigen Stellen noch nicht, aber man soll niemals Nie sagen.
TS: Ist – so in der politischen Welt, wenn ich das so sagen darf, wo verschiedene Interessengruppen um Ressourcen kämpfen – ist da der MonitoringAusschuss eine Lobby für behinderte Menschen?
MS: Ich tu mir mit dem Begriff des Lobbying in diesem Kontext ein bisschen schwer, weil ich glaub, dass diese Art der Interessenvertretung eine andere Funktion hat als ein unabhängiges Überwachungsgremium. Das stimmt schon, dass man die Interessen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe vertritt, wenn man als so spezialisiertes Organ eingesetzt wird, aber das ist klar zu unterscheiden von einer Interessenvertretung – die ist vor allem der Zivilgesellschaft und Zivilgesellschaftsorganisationen übertragen.
TS: Ich danke für das Gespräch.
MS: Ich danke für die Einladung.
Quelle: Sendung ohne Barrieren
AutorIn: Sendung ohne Barrieren
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Media Tipp, News, UN Behindertenrechtskonvention
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