Europaweit scheint es eine Tendenz Richtung Liberalisierung der Sterbehilfe zu geben. In Österreich startet gerade eine politische Diskussion dazu in Form einer parlamentarischen Enquete. Für viele behinderte Menschen ist das ein besonders heikles Thema. Ein Kommentar von Thomas Stix.
Die von Franz-Joseph Huainigg maßgeblich initiierte parlamentarische Enquete „Würde am Ende des Lebens“ hat die Disskussion um aktive Sterbehilfe und assistierten Suizid wieder einmal aufleben lassen. Welches Ergebnis die Enquete bringen wird und ob daraus konkrete Gesetze entstehen werden, das ist noch offen.
Behinderte Menschen – und ich spür das am eigenen Leib – kommen bei dieser Diskussion in besondere Bedrängnis. Vor allem bei dem von Sterbehilfe-Befürwortern oft verwendeten Begriff selbstbestimmtes Sterben schnürt sich mir die Kehle zu und ich muss schlucken.
Der Begriff Selbstbestimmt ist für einen politisch denkenden behinderten Menschen etwas sehr besonderes und bringt viele Zusammenhänge ins Gedächtnis. Ganz banale Dinge für nichtbehinderte Menschen – z.B. auf die Toilette gehen oder duschen, wenn man muss oder will – müssen wir uns erkämpfen (Persönliche Assistenz finanziert zu bekommen ist noch immer alles andere als eine Selbstverständlichkeit). Und behinderte Menschen, die jetzt mit PA leben, leben auch mit der ständigen Angst, dass diese gestrichen oder gekürzt wird. Es ist ein Ringen um Selbstbestimmung, das immer wieder zu vollbringen ist.
Der Begriff Selbstbestimmt erweckt eine große Kraft in mir, für Behindertenrechte zu kämpfen. Gemeinsam mit vielen MitstreiterInnen ist schon einiges erreicht worden und wird noch mehr erreicht werden. Die Selbstbestimmt-Leben-Initiative Österreich ist Vorreiterin im Kampf um die Rechte von Menschen mit Behinderung und die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention.
Und dann taucht da der Begriff selbstbestimmt Sterben auf… Was soll ich damit anfangen? Das selbstbestimmte Leben wird nach Möglichkeit von Politik, Verwaltung und Gesellschaft verhindert bzw. verunmöglicht und dann bekomme ich das selbstbestimmte Sterben aufgetischt!? Denke nur ich so, oder befinden wir uns hier in einer fatalen Schieflage, die für behinderte Menschen nicht gut ausgehen kann?
Wenn über selbstbestimmtes Sterben gesprochen wird – in einer Gesellschaft, die beim Thema selbstbestimmtes Leben erst am Anfang steht – dann ist das Leben (schwer)behinderter Menschen in akuter Gefahr.
Ich fordere nicht nur Würde am Ende des Lebens, sondern Würde ein ganzes Leben lang, und das bedeutet ein selbstbestimmtes Leben – ohne Wenn und Aber.
Thomas Stix
P.S.: Ich empfehle zu dieser Thematik das SLIÖ-Positionspapier zu Biopolitik vom März 2014:
Download: http://www.slioe.at/was/stellungnahmen/2014-03_Biopolitik.php
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
Permalink: [Kurzlink]