Oswald Föllerer ist seit vielen Jahren als Selbstvertreter tätig. Er ist Sprecher der Gruppe „Vienna People First“ und Mitarbeiter des Selbstvertretungszentrums Wien, das es seit Jänner 2014 gibt. Thomas Stix spricht mit Oswald Föllerer über Selbstvertretung in Wien und Österreich, über die Behindertenrechtskonvention und die Anliegen von Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Links
Vienna People First
www.viennapeoplefirst-gaw.at
Selbstvertretungszentrum Wien
www.svz.wuk.at
Audioscript des Interviews
(TS = Thomas Stix, OF = Oswald Föllerer)
TS: Herr Föllerer, sie sind der Obmann der Gruppe „Vienna People First“ und jetzt ist in aller Munde, das neue Selbstvertretung Zentrum Wien. Das gibt es jetzt seit Jänner 2014. Wie war bisher die Arbeit des Zentrums und was haben Sie bisher gemacht?
OF: Seit Jänner 2014, was haben wir schon alles gemacht. Gemacht haben wir im Selbstvertreterzentrum einmal, dass wir ein Logo haben, dass wir ein Logo erarbeitet haben. Dann haben wir Teamentwicklung gemacht. Wie wir zusammenarbeiten sollen. Das Arbeitsklima von unseren Kollegen besser darstellt. Dann haben wir, als wirdas angefangen haben, die Unterstützer zu suchen. Die erste Unterstützerin war sehr leicht zu finden. Weil sich nur zwei beworben haben. Da war die erste Unterstützerin leicht zum herauskristallisieren bzw. herauszufinden. Die zweite Unterstützerin war schon schwieriger. Weil da waren so viele Bewerbungen. Da haben wir uns gedacht, oh, das wird schwierig. Zum Entscheiden. Dann haben wir eine zweite Person gefunden. Wo man sagen kann, ja das passt, die ist geeignet. Das war der Anfangsschritt. Mit Logo und Unterstützerin.
TS: Also die Struktur aufzubauen…
OF: Die Struktur und ein kleines Büro. Wo man zu zweit nur Platz hat. Haben wir gesagt, besser als gar nichts. Für den Anfang ist es nicht schlecht.
TS: Stichwort Assistenz, das ist ein sehr interessantes Thema. Es werden da die Menschen mit Lernschwierigkeiten benachteiligt, gegenüber den Menschen mit Körperbehinderung.
OF: Die Menschen mit Lernschwierigkeiten werden benachteiligt bei der Assistenz. Weil wann ich mich zurück erinnere, vor zwei Jahren, wo ich auch im Bundesministerium drinnen war, um für eine Assistenz zu kämpfen für Menschen mit Lernschwierigkeiten, hat es geheißen: Momentan nicht, weil jetzt kommen die Wahlen, da wird nichts weitergehen. Und nach der Wahl kann man darüber weiterreden, was aber bis jetzt nicht passiert ist. Noch kein Thema davon! Denke ich mir. Das ist schon krass, weil auch die Menschen mit Lernschwierigkeiten haben ein Recht auf Assistenz. Weil zum Beispiel, wenn sich ein Mensch mit Lernschwierigkeiten nicht auskennt, wo ist eine Veranstaltung? Wie komme ich dort hin? Oder es gibt so viele Varianten wo sich ein Mensch mit Lernschwierigkeiten nicht auskennt. Ist er in seiner eigenen Wohnung gefangen. Und er kann dann nichts unternehmen. Ist genauso wie wenn ich bei den Ämtern bin und dort mit schweren Wörtern herumgeschmissen wird, was ein Mensch mit Lernschwierigkeiten nicht versteht… und eine Assistenz braucht, die es ihm erklärt.
TS: Selbstvertretung gibt es auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Interessenvertretung in den Organisationen. Was ist der Unterschied?
OF: Eine Selbstvertretung ist: Ich vertrete mich selbst. Auch für andere Selbstvertreter. Ist eine Interessenvertretung. Aber wenn ich jetzt in einer Tagesstruktur bin und ich bin dort Werkstättenrat oder Wohnrat, dann ist es eine Interessenvertretung. Weil ich bin für die ganze Organisation zuständig.
Für die ganze 23 Jugend am Werk. Zum Beispiel. Ich bin für die Kunden da. Interesse und Wünsche der Kunden einzubringen. Ob das jetzt Sachwalterrecht ist oder Assistenz, ich bringe die Wünsche der Kunden ein und schau dass sie respektiert werden und dass es auch gemacht wird, was man fordert, von den Kunden her.
TS: Sachwalterschaft ist ja überhaupt umstritten, ist eine umstrittene Materie. Weil manche sagen, das ist gar nicht Behindertenrechtskonventions-konform, die möchten eine unterstützte Entscheidungsfindung.
OF: Und da arbeiten wir daran.
Das erste Thema, an das ich mich erinnern kann in der Sachwalterschaftsarbeit – Die Zukunftsplanung. Im Justizministerium. Das habe ich mir, am ersten Arbeitstag, wie wir das gemacht haben, habe ich mich darüber geärgert. Ein Unterfangen war das… Vormittag reden wir über Zukunftsplanung. Wie könnte Sachwalterschaft ausschauen? Was soll verändert werden? Nach dem Mittagessen, denk ich mir, das darf nicht wahr sein. Jetzt reden sie in schwerer Sprache und reden schon über Sachwaltern. Das kann nicht sein. Dann ist mir das zu bunt geworden und habe aufgezeigt: Entschuldigen Sie bitte! Ihr redet nur mehr in schwerer Sprache und macht schon wieder ein Hintertür auf für die Sachwalter. Für was machen wir Vormittag eine Zukunftsplanung? Wir sind Selbstvertreter, Menschen mit Lernschwierigkeiten. Wir sind da nicht als Aushängeschild in der Arbeitsgruppe. Wir sollen ja mitarbeiten. Und nicht mit schwerer Sprache umworfen werden und die Tür frei machen für die Sachwalter.
OF: Wir bei Vienna People First, machen wir immer Sitzungen, einmal im Monat. Wir sind immer nur die selben, die 18. Ich möchte auch von anderen Organisationen, nicht nur von Jugend am Werk. Ich möchte von den anderen Organisationen genau so in die Vienna People First Geschichte reinholen. Über die behindertenarbeit.at oder über BIZEPS.
OF: Es soll ja nicht nur das Selbstvertreterzentrum fungieren, es kann auch über Vienna Poeple First Bewegung informiert werden. Was geschieht mit meinen Leben? Oder was geschieht mit meinen Veränderungen? Wie geht das weiter? Weil die Menschen mit Lernschwierigkeiten wissen nicht was weiter geht. Was für Veränderungen passieren? Gesetzlich. Genauso, ich habe mal ganz spontan einen Mann auf der Strasse angesprochen: Wissen sie was eine UN-Konvention ist? Hat er gemeint: Keine Ahnung. Auch die Bevölkerung ist nicht Informiert. Ich brauche eine Unterstützung, weil ich habe mir gedacht: das darf nicht wahr sein, die Politik sagt nichts darüber. Die Bevölkerung weiß nichts darüber. Die Bevölkerung gehört informiert. Welche Rechte Menschen mit Behinderungen haben. Da habe ich mir gedacht, ich möchte einen Vortrag oder einen Kongress machen für die Bevölkerung.
TS: Also für die Allgemeinheit?
OF: Für die Allgemeinheit.
TS: Nicht für die Behinderten Menschen speziell, sondern für alle.
OF: Schon gemischt.
TS:Damit auch Menschen, die jetzt nicht direkt etwas damit zu tun haben, auch von dem Thema erfahren.
TS: Ich glaub, da sind wir uns einig, dass die behinderten Menschen immer kämpfen müssen.
OF: Wir müssen weiterkämpfen.
TS: Nicht aufgeben.
OF: Dass andere Menschen wissen, dass es uns auch gibt.
TS: Ich bedanke mich für das Gespräch.
OF: Ich bedanke mich auch für die Einladung zum Interview.
TS: Ich wünsche alles Gute.
OF: Ich sage nur als Schlusswort: Ich möchte, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sich einmal trauen, Interesse zeigen sollten für ihr eigenes Interesse und sich für das Interesse der anderen einsetzen.
Und der Spruch heißt immer. Nicht über uns ohne uns.
TS: Danke – OF: Bitte.
Quelle: Sendung ohne Barrieren
AutorIn: Sendung ohne Barrieren
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Media Tipp, Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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