Zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung Behinderter am 5. Mai lud die Lebenshilfe Österreich zu einem Round-Table ins ÖGB Hauptquartier in den 2. Wiener Gemeindebezirk. Etwa 100 Gäste besuchten die Veranstaltung, der Herr Sozialminister, der ursprünglich angekündigt war, ließ sich vom Ministeriumsbeamten Hansjörg Hofer vertreten. Am Round-Table saßen außerdem VertreterInnen der Handelskonzerne SPAR und REWE (Billa, Merkur, Penny, BIPA), vom ORF und von der Lebenshilfe Wien sowie eine Moderatorin.
Kurzfilm stellt Barrieren anschaulich dar
Nach einleitenden Worten wurde der eigens für diese Veranstaltung produzierte Kurzfilm der Lebenshilfe zum Thema Einkaufen präsentiert. Dabei wurden die Hürden dargestellt, denen behinderte Menschen in einem Supermarkt ausgesetzt sind: unerreichbare Waren, schlecht verständliche Zahlen, schwer sichtbare Schrift…
Verbesserungsvorschläge wurden verhalten aufgenommen
Danach trugen die Lebenshilfe-Selbstvertreterinnen Heide Tomacek und Hilde Fischer die Probleme vor, die sich für ihre KollegInnen und sie beim täglichen Einkauf ergeben, und hatten auch den einen oder anderen Lösungsvorschlag parat. Etwa gab es die Idee eines „Serviceknopfs“, bei dessen Bedienung ein/e Ladenmitarbeiter/in herbeieilen solle. Von den SupermarktvertreterInnen wurde diese Anregung wenig begeistert aufgenommen, obwohl sie mitunter wirklich hilfreich sein könnte. Das Gegenargument war, dass man ja stattdessen auch gleich eine/n Mitarbeiter/in ansprechen können…; aber wir alle wissen nur zu gut, dass das Auffinden einer Unterstützung in einem großen Geschäft nicht immer einfach ist. Ein Serviceknopf würde sich jedoch immer an der selben Stelle befinden und der geübte Kunde würde sehr rasch zu seiner Hilfe kommen können. Solche Tasten könnten an neuralgischen Punkten, wie etwa in der Obst/Gemüseabteilung oder bei den Tiefkühlfächern, sehr hilfreich sein.
Insgesamt wurden die Anregungen der SelbstvertreterInnen von den HandelskonzernvertreterInnen wohlwollend bis skeptisch aufgenommen, wohl wissend, dass eine Nichtumsetzung – zumindest vorerst – wenig Konsequenzen haben wird. Die Aussage des REWE-Vertreters „Strafen wollen wir alle nicht“, gilt sicher besonders für die Interessen des Handels, wohl weniger für die behinderten Menschen, deren Rechte und Bedürfnisse als Kundinnen und Kunden nicht immer in vollem Maße Ernst genommen werden.
Service muss besser werden
Ein Schlüssel zum Barrierefreien Einkauf liegt neben baulichen Verbesserungen meiner Meinung nach beim Service und bei den Mitarbeiter/innen eines Geschäfts. Eine behinderte Frau aus dem Publikum hat in einer Wortmeldung sehr trefflich formuliert, dass sie beim Einkauf in ihrem Stammgeschäft keine Probleme habe, da das Personal sehr hilfreich sei. Es liegt halt nun mal in der Natur der Sache, dass eine Tiefkühltür schwer zu öffnen ist, daran wird man kaum etwas ändern können, aber ob ein/e Ladenmitarbeiter/in ein wenig Geduld aufbringen kann oder nicht, ist eine Sache von Organisation und Information. Wobei es mit Schulungen da nicht getan ist. Das Verkaufspersonal muss auch die Zeit haben, sich um Kundschaft zu kümmern, das schlägt sich im Endeffekt auf die Kosten nieder, was einem Supermarkt, der seine Kundschaft hauptsächlich über das Preisargument gewinnen will, weh tut.
Diskriminierung muss Konsequenzen haben
Diese Veranstaltung der Lebenshilfe konnte bestimmt auf gewisse Weise auf die Anliegen behinderter Menschen aufmerksam machen, und dies kann nicht oft genug geschehen. Von einem Protest war jedoch überhaupt nichts zu spüren. Die großen Handelsriesen sollten auch klar damit konfrontiert werden, dass Diskriminierung Konsequenzen haben muss, was hier nicht geschehen ist. Vielleicht braucht es dazu auch eine andere Art von Aktion…
Was leider auch noch anzumerken ist: Die Moderatorin des Round-Tables ließ die beiden Selbstvertreterinnen am Tisch bei der Diskussion leider nicht zu Wort kommen. Da wäre vielleicht auch mehr Feingefühl vonnöten gewesen.
Link mit Film:
www.lebenshilfe.at/index.php?/de/Presse/Einkaufen-ohne-Hindernisse!
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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