Die Universität Wien hat unter der Leitung von Prof. Gottfried Biewer den „Nationalen Aktionsplan – NAP Behinderung 2012-2020“ mithilfe von 72 Experteninterviews und einer Dokumentenanalyse evaluiert.
Herausgekommen bei den Untersuchungen ist, was Beobachter schon erahnten: Der NAP war so gut wie wirkungslos. Wenn, dann ist nur an sehr kleinen Stellschrauben gedreht worden, und in einigen Bereichen gab es sogar Rückschritte.
Große Hoffnungen
Eine richtige positive Aufbruchstimmung ist entstanden, als im Jahr 2006 die Behindertenrechtskonvention von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden, diese 2007 von Österreich feierlich unterzeichnet und 2008 vom Österreichischen Nationalrat ratifiziert wurde. Immerhin ist die UN-BRK damit Österreichisches Recht geworden. Und um dieses Recht mit Leben zu erfüllen, wurde vom Sozialministerium in Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen im Jahr 2012 einen Aktionsplan entworfen, der eine ganze Reihe konkreter Umsetzungsschritte beinhaltet.
Erwachsenenschutzgesetz einziges Positivbeispiel
Was sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet hat, liegt nun im Rahmen des Evaluierungsberichts der Uni Wien vor: Der NAP zeigte kaum Wirkung. Eines der wenigen positiven Beispiele, wo einem Umsetzung der UN-BRK in guten Ansätzen gelungen ist, ist das Erwachsenenschutzgesetz. Damit wurde die für viele behinderte Menschen diskriminierende Sachwalterschaft durch ein Unterstützungsinstrument ersetzt, das weitreichend auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingeht.
Das Erwachsenenschutzgesetz wird als einziger Rechtsbereich identifiziert, in dem eine konkrete, an der UN-BRK orientierte grundlegende Anpassung vorgenommen wurde
(Evaluierungsbericht, Seite 37)
Keine Ziele bei PA erreicht
Als fast gänzlich gescheitert kann der Bereich der Persönlichen Assistenz angesehen werden. Ein bundeseinheitliche Vereinheitlichung im Bereich der PA im Privatbereich bzw. Freizeitbereich ist nicht ansatzweise zustande gekommen. Die Bundesländer verfolgen weiterhin komplett unterschiedliche Konzepte, eine ernsthafte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist nicht gelungen.
Hinsichtlich der Persönlichen Assistenz wurden unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern wie auch die zu eng definierte Zielgruppe als Problemlagen angesprochen. Zu beiden Themen wurden im Umsetzungszeitraum des NAP Behinderung 2012–2020 kaum Schritte gesetzt.
(Evaluierungsbericht, Seite 30)
Bei der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz gibt es bundeseinheitliche Richtlinien, diese entstanden jedoch schon lange vor der Erstellung des NAP. Eine Neufassung dieser Richtlinien ergab Verbesserungen bei den Anstellungsverhältnissen für Assistenten – aber eben nur für jene, die im Bereich Assistenz am Arbeitsplatz tätig sind. Für den Privatbereich gelten die vielen unterschiedlichen Bundesländerregelungen.
Fazit
Der Bericht zeigt, dass Seitens der Politik – allen voran im Sozialministerium – nie der echte Wille bestanden hat, einen kraftvollen Schub nach Vorne zu machen. Immer wieder ist im Bericht auch zu lesen, wie sich Bund und Länder uneinig sind, was ja im Endeffekt auch bedeutet, dass man nichts voranbringen will.
Hinsichtlich des Föderalismus sei es nunmehr jedoch noch deutlicher geworden, dass hier ein massives Problem vorliegen würde und die Verzahnung von Bund und Ländern besser funktionieren müsse. Der NAP Behinderung 2012–2020 habe diesbezüglich keine spürbaren Verbesserungen gebracht.
(Evaluierungsbericht, Seite 38)
Eine Verpflichtung – ein Commitment – etwas Voranzubringen, bestand und besteht in der Politik leider nicht. Über Lippenbekenntnisse hinaus passiert meistens wenig.
Entscheidend für die Wirksamkeit von Nationalen Aktionsplänen sei es dass ein klares politisches Commitment vorhanden sei sowie Prinzipien wie Transparenz, Inklusion, Partizipation und Nicht-Diskriminierung den Prozess charakterisieren.
(Evaluierungsbericht, Seite 38)
Download
UNI Wien – Evaluierung des NAP Behinderung 2012-2020 (PDF)
Link
[behindertenarbeit.at – Download: Nationaler Aktionsplan Behinderung 2012-2020 (NAP)]
Quellen
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) via ots.at | 09.11.2020
Presseaussendung vom 06.11.2020 | Sozialministerium: Evaluierung des NAP Behinderung 2012–2020 veröffentlicht
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 15.11.2020
Artikel-Kategorie(n): News, UN Behindertenrechtskonvention
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