Vom 18. bis 19. April 2013 fand der Kongress „Wann, wenn nicht jetzt?“ in Wien statt. Das Hauptthema war die Weiter-Entwicklung der Persönlichen Assistenz in Österreich. Anna Hosenseidl war für behindertenarbeit.at dabei…
Etwa 100 TeilnehmerInnen konnte das Veranstalterteam vom BIZEPS zum Kongress im JUFA, 1110 Wien, begrüßen. Neben Vortragenden aus Österreich waren auch ReferentInnen aus Deutschland und GB anwesend.
Erster Tag
Persönliche Assistenz und die Behindertenrechtskonvention
Frau Mag. Feuerstein berichtete über die Arbeitsgruppe PA im Sozialministerium und erwähnt die Artikel der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung: Art. 19 unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft, Art. 22 Achtung der Privatsphäre, dass man nicht gezwungen wird in den Unterstützungen zu leben, Art. 23/24 Achtung der Familie und Bildung. Die Artikel besagen, dass wir ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben.
Obwohl Österreich die Menschenrechte für behinderte Menschen ratifiziert hat, wird die UN-Konvention kaum umgesetzt. Es leben noch immer ca. 14.000 Menschen mit Behinderungen in Heimen und Wohngemeinschaften und 1000 Leute beziehen in Österreich erst Persönliche Assistenz. D.h. Es werden 14 Mal mehr Geldleistungen für die Großeinrichtungen ausgegeben.
Arbeitsgruppe PA im Ministerium: Wenn die Länder nicht wär’n…
Dr. Hansjörg Hofer vom Bundesministerium stellt den aktuellen Stand der Arbeitsgruppe Persönliche Assistenz im Ministerium vor. Problematisch ist der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, weil die Finanzen über die Behindertenhilfe immer noch Ländersache sind. Das soll beim nächsten Finanzausgleich 2014 verhandelt werden. Die Meinungen der Länder dazu sind nicht immer einheitlich.
Eine der positiven Schilderungen war, dass Hofer der Meinung ist, dass PA weitgehend kostenneutral sein wird. Nach der Rede wurde Hofer das Schwert vom Bundesministerium überreicht, damit er den gordischen Knoten aufschlagen kann. Es wird sehr große Änderungen in der Behindertenhilfe geben müssen.
Das nächste Thema waren die Fortschritte aus Sicht der Arbeitsgruppe PA im Bundesministerium. Es wird sehr wenig getan, es geht langsam voran – im Schneckentempo… Das Programm der Arbeitsgruppe begann 2008, die ersten Sitzungen wurden ohne die Betroffenen gemacht. Erst nach langen Interventionen werden die Betroffenen mit eingebunden. Es werden wieder die gleichen Themen besprochen wie bei den ersten zwei Referenten. Man hat das Gefühl, dass man das Thema PA immer wieder von vorne erklären und diskutieren muss.
Die Forderungen der SLIO (Selbstbestimmt Leben Initiative Österreich) sind:
1. bedarfsgerechte bundesweite Assistenz, ohne Einschränkungen von Vermögen und Gehalt, und im Sinne des sozialen Modells von Behinderung
2. Assistenz muss für alle Menschen mit Behinderungen zur Verfügung gestellt werden, es darf keine Einschränkungen nach „Art der Behinderung“ geben.
Aktionsplan in Deutschland: Alle müssen an einem Strang ziehen!
Nach der Mittagspause referierte ein Kollege aus Deutschland: Behindertenbeauftragter Ottmar Miles-Paul. Er berichtete wie man am besten einen Aktionsplan macht. Zunächst muss man alle in ein Boot bekommen, auch die Behindertenverbände und dann gemeinsam auftritt. Bei den Gesprächen mit den PolitikerInnen wurde sehr viel mit Beispielen gearbeitet. Zudem sollte man schon mit Vorschlägen an die Politik herantreten.
Dann wurde die Broschüre für PA von Gabriele Obermeier vorgestellt mit dem Titel: „Haben Sie Sehnsucht nach Meer?“ Obermeier hat die Broschüre sehr fundiert und pointiert vorgestellt.
Volksanwaltschaft: UN-Anti-Folter Konvention
Der letzte Programmpunkt nach einer kurzen Pause war von Hubert Stockner, SLI Innsbruck: Stockner arbeitet bei der Kommission der Volksanwaltschaft mit, die Überprüfungen hinsichtlich der UN-Anti-Folter Konvention durchführt. Die Prüfungsstelle der Volksanwaltschaft arbeitet erst seit Juni 2012. Es haben 65 Länder diese Konvention unterschrieben.
Die Konvention überprüft Folter, grausame Strafe und Freiheitsberaubung mit Ausnahme von Straftaten. Es wurden Zwangsmaßnahmen im Sinne der UN Behindertenkonvention Art 15 und 16 Abs. 3 überprüft und die Bundeseinrichtungen überwacht. Es wurden seitdem 3 Einrichtungen für Behinderte besucht. Man kann jederzeit Missstände und Empfehlungen an die Kommission herantragen.
Zweiter Tag
Persönliches Budget: Steiermark und Deutschland
Nach einer Begrüßung am zweiten Tag wurde mit dem Thema Persönliches Budget in der Steiermark von Josef Mikl begonnen. Das PB ist eine Geldleistung. Es gibt einen nationalen Aktionsplan. PB bekommen nur wenige Körperbehinderte und einige Sinnesbehinderte und alle anderen Behinderungen werden wieder ausgeschlossen. Es werden maximal 6000 Stunden im Jahr bewilligt, was viel zu wenig ist. Aber in dem Budget sind auch Urlaubsfahrten und z.B. Theaterbesuche enthalten. Mit dem Budget kann man PA einkaufen. In ganz Österreich ist das nicht zu erwarten.
Als Ko-Referent war Herr Ottmar Miles-Paul anwesend. Er hat den Unterschied zwischen Österreich und Deutschland aufgeführt. In Rheinland-Pfalz haben 6000 Personen ein Persönliches Budget, obwohl die Einwohnerzahl nur die Hälfte von Wien beträgt. Es gibt eine Teilnahme-Konferenz, d.h. wie unsere Assistenzkonferenz in der PA.
Persönliche Assistenz: Nicht ohne Menschen mit Lernschwierigkeiten!
Nachher referierte Herr Oswald Föllerer: Auch Menschen mit Lernschwierigkeiten brauchen Assistenz. „Wir brauchen Assistenz wie alle behinderten Menschen. Das ist die Voraussetzung, um in der Gesellschaft leben zu können. Es muss eine andere Assistenz für Menschen mit Lernschwierigkeiten sein und die Assistenz sollte eine Anleitungskompetenz haben.“
Die Forderung war ganz vehement, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten auch das Recht auf PA haben.
Danach kam ein Vortrag mit Hemma Mayrhofer über das Pilotprojekt in Salzburg „Assistenz wohnen“. Es sind zwei Leute mit Downsyndrom die in getrennten Wohnungen leben. Sie haben insgesamt drei AssistentInnen, die maximal 5 Stunden pro Woche assistieren. Projektleiter sind die beiden Väter der AssistenznehmerInnen und die pädagogische Leitung haben die Schwestern.
Erfahrungen aus Großbritannien
Nach der Mittagspause kam das letzte Referat von Christiane Link über die Situation der Menschen mit Behinderungen in Großbritannien. Frau Link stammt aus Deutschland und ging aus beruflichen Gründen nach Großbritannien. Als EU-Bürgerin bekam sie vom ersten Tag des Ansuchens die DLA (Disability Living Allowance) gewährt. Die DLA wird zum Ausgleich der Einschränkungen der Behinderung gewährt. Zusätzlich wird auch noch ein Persönliches Budget zum Leben mit PA gewährt. Das ist aber von der Gemeinde abhängig, d.h. je nachdem wo man wohnt bekommt man mehr oder weniger Assistenzgeldleistungen. Da in London die Taxis barrierefrei sind, bekommt man einen Zuschlag, sodass man bis zu sieben km im Umkreis ein Taxi benutzen kann.
Aber was mich am meisten positiv überrascht hat, ist das jeder Behinderte mit Mobilitätseinschränkungen ein barrierefreie umgebautes Auto leasen kann. Sämtliche Kosten werden vom Staat übernommen, d.h. Leasingkosten, Versicherungskosten, Reparaturkosten. Man kann sich alle drei Jahre ein neues Auto leasen.
Mein Fazit: Es geht zu langsam!
In Österreich sind wir erst ganz am Anfang. Die Politik ist langsam wie eine Schnecke und es geht um die Partizipation. Und was mich am meisten wundert ist, dass in sämtlichen europäischen Ländern selbstbestimmt Leben Gang und Gebe ist, aber in Österreich ist das anders. Wir haben aufgrund der UN-Konvention das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft. Wann wird es in Österreich eine bundesweite bedarfsgerechte Persönliche Assistenz geben?
Anna Maria Hosenseidl
(Mit bestem Dank an Martin Habacher für die Fotos! Link: mabacher.com)
AutorIn: Anna Maria Hosenseidl
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): News, Persönliche Assistenz
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