Am 27. September 2013 lud die Lebenshilfe Wien in Zusammenarbeit mit VUP Austria (Very Unequal People) zur Fachtagung medINKLUSION – Barrierefreie Medizin ins Kardinal König Haus. Martin Habacher war für behindertenarbeit.at dabei.
Neben SelbstvertreterInnen nahmen auch ÄrztInnen sowie PsychologInnen aus Österreich, Italien, Deutschland und England an der eintägigen Veranstaltung teil.
Ziel der Fachtagung war es einerseits die Besonderheiten bei der medizinischen Versorgung von Menschen mit intellektueller und mehrfacher Beeinträchtigung zu thematisieren und andererseits darauf hinzuweisen, dass laut UN-Behindertenrechtskonvention JEDER Mensch das Recht auf eine umfassende und barrierefreie Gesundheitsversorgung hat.
Die Fachtagung teilte sich in einen Vortragsblock am Vormittag und in Workshops am Nachmittag in denen die einzelnen Themen in Kleingruppen vertieft wurden.
Die Vortragsreihe wurde von einer Gruppe Selbstvertretern eröffnet. In Form eines Handpuppentheaters wurde das Thema Menschen mit Lernschwierigkeiten und medizinische Versorgung auf anschauliche und humorvolle Art eingeführt.
Gesundheit – Krankheit – Lebenswert
Maria Bruckmüller, Sozialarbeiterin, Psychologin, Heilpädagogin sowie Ehrenpräsidentin der Lebenshilfe Österreich geht in ihrem Vortrag darauf ein, dass die Aufgaben der MitarbeiterInnen in Institutionen immer komplexer und schwieriger zu lösen seien. Intellektuell und mehrfach beeinträchtigte Menschen können oftmals ihre physischen Beschwerden nicht mitteilen, daher fällt diese Aufgabe den BetreuerInnen zu. Um im Sinne der Betroffenen zu handeln ist eine gute Fachkenntnis, sowie eine ständige Fortbildung des Betreuungspersonals notwendig.
VUP – Very Unequal People
Franz Zdrahal, Präsident des Vereins „Very Unequal People“ begann seinen Vortrag mit deinem Beispiel aus der Praxis.
„Eines Tages wurde eine schwer geistig behinderte Frau zu uns ins Krankenhaus gebracht. Sie war nicht in der Lage mit den Ärzten zu Kommunizieren, daher wurde jede Bewegung und jedes Geräusch als Anzeichen für Schmerzen interpretiert. Es endete damit, dass die junge Dame von einer Abteilung zur nächsten gereicht wurde und niemand kam zu einem Befund. Nach drei Tagen wurde die Frau entlassen. Am nächsten Tag kam die Bezugsperson der behinderten Frau wieder aus dem Urlaub zurück. Sie fragte ihre Kollegen sofort warum niemanden aufgefallen sei, dass ihr die Schulter weh tat. Zurück im Krankenhaus wurde eine Fraktur der rechten Schulter festgestellt!“
Der Verein VUP möchte vermitteln. Vermitteln zwischen intellektuell behinderten Menschen, dem pflegerischen Personal und den MedizinerInnen in Krankenhäusern. Zdrahal hob hervor, dass es für intellektuell beeinträchtigte Personen einen Unterschied macht, ob sie von einem Institutionsarzt oder einem Behindertenpädagogen zur Untersuchung begleitet werden.
Europäische Initiativen fördert ÄrztInnen-Weiterbildung
Aus Deutschland berichtete Peter Martin von der Bundesarbeitsgemeinschaft „Ärzte für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung e.V.“ (BAG) und der europäischen Organisation „European Association of Intellectual Disability Medicine“ (MAMH). Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft genauso wie die Europäische Organisation von Ärzten aus unterschiedlichen Disziplinen zielen auf eine kontinuierliche Weiterbildung der Ärzte und eine ständige Verbesserung der medizinischen Versorgung von geistig oder mehrfach behinderten Menschen ab.
Manifest für die Verbesserung der medizinischen Versorgung
Dieses Manifest stellt einen minimalen Anforderungskatalog an die Gesundheitsfürsorge von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung dar. Erstellt wurden diese fünf Punkte von der Hollländischen Gesellschaft für Ärzte, die sich auf die Gesundheitsbetreuung von Menschen mit geistiger Behinderung spezialisiert haben (NVAVG) und der Europäischen Organisation von Ärzten, die geistig behinderte Menschen, betreuen, in Zusammenarbeit mit der Erasmus Universität Rotterdam.
- Barrierefreier Zugang zum allgemeinen Gesundheitswesen
- Alle medizinischen Berufsgruppen (besonders InternistInnen, PsychiaterInnen, ZahnärztInnen, Krankenpfleger/schwestern) besitzen Kompetenz in der Versorgung geistig behinderter Menschen und in den spezifischeren, insbesondere auch mit der häufig bestehenden Komorbidität verbundenen Gesundheitsproblemen.
- Mitglieder verschiedener ärztlicher und nicht-ärztlicher Berufsgruppen in den Heilberufen, die in der Behandlung von Menschen mit geistiger Behinderung spezialisiert sind, sollen die AllgemeinmedizinerInnen unterstützen.
- Die Gesundheitsversorgung von Menschen mit geistiger Behinderung benötigt eine multidisziplinäre Haltung.
- Die Gesundheitsvorsorge für Menschen mit geistiger Behinderung muss präventiv angegangen werden.
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AutorIn: Martin Habacher
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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