Für die siebte „Sendung ohne Barrieren“ hat Thomas Stix von Araba Evelyn Johnston-Arthur zum Gespräch gebeten. Mit ihr spricht Thomas Stix über Diskriminierung von Menschen – Parallelen bei den Erfahrungen von Diskriminierung von behinderten Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund.
Links zum Text:
– Artikel im PROGRESS Magazin: „Rassismus ist gut integriert“
http://www.progress-online.at/artikel/%E2%80%9Erassismus-ist-gut-integriert%E2%80%9C
– Presseaussendung der Wiener Grünen: Akute Missstände bei der Betreuung von Flüchtlingen mit Behinderung
https://www.behindertenarbeit.at/?p=34735
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Thomas Stix: Frau Johnston-Arthur, wir haben uns heute getroffen zu einem Gespräch, wo das Hauptthema ist: Diskriminierung. Sie sind Expertin auf dem Gebiet und Aktivistin, und ich habe in einem Artikel in der Uni-Zeitschrift PROGRESS gelesen zum Thema strukturelle Diskriminierung und zum Thema Aussonderung schon in früher Kindheit durch die Sonderschulen. Das ist eine Parallele, das sehe ich, auch zu Menschen mit Behinderung. Was ist Ihre Meinung bzw. was läuft da schief?
Araba Evelyn Johnston-Arthur: Das Thema Schule ist ein sehr zentrales Thema, auch in meiner eigenen Auseinandersetzung. Ich tu mir manchmal schwer mit dem Begriff „Expertin“, also ich bin… ich hab mich mit dem Thema Diskriminierung auseinandergesetzt… Rassismus auseinandergesetzt; wie Sie gesagt haben, ich bin Aktivistin – das wichtigste… der wichtigste Erfahrungskomplex war für mich und ist für mich… sind die sozialen Bewegungen, die schwarzen sozialen Bewegungen in Österreich, dessen Teil ich war. Gleichzeitig für meine eigene Erfahrung und für die vieler, vieler die ich kenne, war die Schule ein sehr zentraler Ort, also ein sehr zentraler Ort der Selbstbehauptung. Sich in der Schule alltäglich selbst zu behaupten angesichts von Rassismus hat viele Ebenen. Da gibt’s die strukturelle Ebene natürlich, die z.T. auch im PROGRESS-Artikel angesprochen worden ist; gleichzeitig, wenn wir über Schule sprechen – in Bezug auf sg. Kinder mit Migrationshintergrund – sieht man auch, dass Kinder mit Migrationshintergrund sehr stark als Probleme – als Problemobjekte – gefeatured werden. Sie sind Problemobjekte, es ist ein Problem, dass es zu viele gibt, sie sprechen nicht Deutsch, sie sind dahingehend… werden sehr sichtbar gemacht. Gleichzeitig gibt es eine sehr große Unsichtbarkeit, angesichts welcher Realitäten sich Kinder in der Schule tagtäglich behaupten müssen, deren Hautfarbe nicht Weiß ist, deren Religion nicht Christlich ist, die vielleicht Kopftuch tragen oder auch kein Kopftuch tragen, die of colour sind, also die nicht weiß sind, die nicht der Mehrheitsbevölkerung angehören. D.h. neben der strukturellen Realität gibt’s auch sowas wie Rassismus als Stressfaktor, der sehr gut integriert ist, und gleichzeitig so gut integriert ist, dass er eigentlich unsichtbar ist.
TS: Die Wiener Grünen haben erst kürzlich eine Presseaussendung ausgeschickt, dass es Missstände gibt in der Betreuung von Flüchtlingen bzw. Asylwerberinnen / Asylwerbern mit Behinderung, und ich hab mich gefragt – weil da eben nichts gekommen ist von unseren BehindertensprecherInnen, von keiner Partei hab ich etwas gelesen in dieser Richtung – da frag ich mich, gibt’s da… ob’s da genügend Zusammenarbeit gibt zwischen den politisch Verantwortlichen und zwischen den einzelnen Interessengruppen.
AJ: Ich glaub, das ist eine sehr wichtige Frage, und ich finde auch, dass sich das in den verschiedenen Diskriminierungssystemen immer wieder zeigt, dass es eine Tendenz gibt, die verschiedenen Diskriminierungssysteme als Konkurrenzveranstaltungen zueinander zu sehen. Wir sagen zwar Verschränkungen, wir sagen zwar zusammen denken, aber in der Praxis ist es sehr schwer durchsetzbar. Es gibt auch die Vorstellung eben, dass es szs. sowas wie eine Opferolympiade gibt, dass es einen Wettbewerb gibt, wer wird von uns am meisten diskriminiert, aufgrund der Tatsache, dass die Diskriminierungen gleichzeitig in der Gesellschaft so unsichtbar sind, so marginalisiert werden, d.h. es gibt einen Kampf, die überhaupt sichtbar zu machen. Aber gleichzeitig ist genug Diskriminierung für uns alle da. Wir müssen uns nicht darum streiten, wer jetzt mehr hat. Aber in der Praxis ist das leichter gesagt, als dann in der politischen… in den politischen Kämpfen durchzusetzen. Und ich glaube auch dass dieses Teile und Herrsche sehr wichtig ist um Diskriminierungssysteme aufrecht zu erhalten.
TS: Um das jetzt auf die politische Ebene zu bringen… hab ich sogar das Gefühl, dass… ob das nicht sogar gewollt ist, dass die einzelnen Interessengruppen alleine für sich arbeiten, damit die Kraft nicht zu stark wird.
AJ: Ich finde es eine … es ist ein sehr wichtiger Punkt, und ich glaub auch, dass sich da nichts verändern kann ohne Kritik, also ohne organisierte Kritik, also ich glaub nicht, dass da eines Morgens Leute aufwachen und sagen, wir sind uns plötzlich dessen bewusst. – Im Kontext von schwarzen Bewegungen: Wenn wir nicht auch über die Realität von Diskriminierung von behinderten Menschen sprechen, dann schließen wir auch diejenigen aus, die Schwarz und Behindert sind, wir wissen wenig über die Verschränkungen von Rassismus und die Diskriminierung von behinderten Menschen. Und die Tatsache, dass wir wenig darüber wissen, dass wir es auch z.T. – wir sag ich jetzt auch ziemlich groß… – dass wir das in den konkreten sozialen Kämpfen zu wenig zusammen gedacht haben, aber ich bin auch komplett Ihrer Meinung, dass darin gleichzeitig sehr viel Macht liegt, auch das System in Frage zu stellen, in seiner Ganzheit in Frage zu stellen und nicht nur zu denken, alles wird gut, wenn ich mein kleines Eckchen hab.
Quelle: Sendung ohne Barrieren
AutorIn: Sendung ohne Barrieren
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Media Tipp, News
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