Renommierte WissenschaftlerInnen fordern „Zurück an den Start“ – Ausschreibungskriterien seien völlig unzulänglich und Budget unzureichend für eine repräsentative und seriöse Studie zum Thema Gewalt und Behinderung.
Im November 2014 wurde ein Entschließungsantrag für Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Menschen mit Behinderungen im Parlament angenommen. Im Zuge dieses Antrags wurde das Sozialministerium zur „Erstellung einer wissenschaftlichen Studie zum Thema Missbrauch von Menschen mit Behinderungen unter besonderer Berücksichtigung der Situation in Behinderteneinrichtungen“ beauftragt.
Kurz vor Sommerbeginn 2015 startete das Sozialministerium die Ausschreibung für die Erstellung der Studie „Gewalt an und sexueller Missbrauch von Menschen mit Behinderungen“. Bis dato soll Insiderkreisen zufolge nur ein einziges Angebot eingelangt sein. Von renommierten WissenschaftlerInnen hagelt es Kritik an der offenbar undurchdachten Vorgangsweise des Ministeriums bei der Ausschreibung.
In einem Offenen Brief fordert nun eine Gruppe von WissenschaftlerInnen (darunter Petra Flieger, Tobias Buchner und Ursula Naue) die komplette Überarbeitung der Ausschreibungsunterlagen. Das Thema sei zu komplex und zu wichtig, um es in einer Schnellaktion abzuhandeln. Auch das veranschlagte Budget von weniger als € 100.000,– sei viel zu niedrig. Allein für die Befragungen in der notwendigen Qualität und Quantität schätzen die ExpertInnen den Finanzbedarf höher als € 100.000,– ein. Hier wurde seitens des Ministeriums offenbar nicht bedacht, dass die Personen, die die Befragungen durchführen, besonders geschult werden müssen, da es sich einerseits um ein besonders sensibles Thema handelt und andererseits auch Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder Sprachbehinderungen befragt werden.
Akribisch genau wird in diesem offenen Brief aufgelistet, welche Vorbereitungen notwendig sind, bevor die Erstellung der Studie überhaupt in Angriff genommen werden kann. Von der Instrumentenentwicklung und Testung bis zur Datenanalyse sind alle weiteren Arbeitsschritte aufgelistet, die zu einem realistischen Gesamtbudget führen.
Bleibt zu hoffen, dass das Sozialministerium jetzt aufwacht, die Ausschreibung abbricht und zurück an den Start geht unter Berücksichtigung der Expertenempfehlungen. Das Thema hat für zukünftige behindertenpolitische Weichenstellungen und somit für das Leben aller behinderten Menschen in Österreich eine enorme Tragweite. Ein Schnellschuss bei dieser Studie wäre ein großer Fehler.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Behindertenpolitik, News
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