Anlässlich der UN-Staatenprüfung der Umsetzung der UN-BRK in Österreich macht pro mente darauf aufmerksam, dass strukturelle und individuelle Maßnahmen für Menschen mit psychischen Behinderungen derzeit weitgehend fehlen, Diskriminierung aber gleichfalls vorhanden sei.
Der Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen hat Ende August die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Österreich geprüft. Nun liegt das Ergebnis vor: Österreich setzt die UN-BRK nur mangelhaft um. In seinen Handlungsempfehlungen ruft der UN-Fachausschuss Österreich dringend zum Handeln auf.
Psychisch behinderte Menschen in Österreich massiv benachteiligt
Eva Leutner, MAS, pro mente Austria Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin des Österreichischen Behindertenrats (ÖBR), hat die psychosoziale Perspektive in die Stellungnahme der vom ÖBR organisierten Delegation eingebracht: „Die Rechte von Menschen mit psychischen Behinderungen werden in Österreich nicht gesehen, obwohl sie laut UN-BRK gleichberechtigt neben denen von Menschen mit körperlichen, kognitiven und Sinnesbehinderungen stehen. Dies ist ein untragbarer Zustand und benachteiligt massiv große Bevölkerungsgruppen“, so Leutner. Die Delegation war bei den Sitzungen in Genf vor Ort, um die Perspektive der Zivilgesellschaft dem Bericht des Staates Österreich gegenüberzustellen und den Fachausschuss auf kritische Punkte in der Umsetzung der UN-Konvention in Österreich aufmerksam zu machen.
Psychische Erkrankungen werden noch immer primär dem Gesundheitswesen zugeordnet und nicht mit dem Thema Behinderung
pro mente Austria unterstreicht die Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschusses. Strukturelle und individuelle Maßnahmen für Menschen mit psychischen Behinderungen fehlen derzeit weitgehend. Psychische Erkrankungen werden noch immer primär dem Gesundheitswesen zugeordnet und nicht mit dem Thema Behinderung in Zusammenhang gebracht. pro mente Austria Vorstandsmitglied Eva Leutner: „Psychische Behinderungen sind im Gegensatz zu körperlichen Behinderungen meist nicht sichtbar. Gleich sind aber die Folgen von Diskriminierung, der Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben und der nichterfüllte Wunsch nach einem gelingenden Leben mit entsprechender Lebensqualität. Niemand ist freiwillig behindert. Jede:r kann psychisch krank werden!“
Ob eine behinderte Person entsprechend der Menschenrechte versorgt wird, hängt derzeit vom Wohnort in Österreich ab. Ein Grundsatzgesetz auf Bundesebene ist notwendig: Es muss Standards vorschreiben, wie Menschen mit Behinderungen ihre notwendigen und wichtigen Unterstützungsleistungen bekommen. Die Umsetzung liegt bei den Ländern.
pro mente Austria fordert zur besseren Versorgung psychisch behinderter Menschen:
- das Recht auf rasche Behandlung, unter anderem durch gratis Psychotherapie auf Krankenschein
- Unterstützung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen je nach Verlauf und Schweregrad der Behinderung – etwa durch primär gemeindenahe Unterstützungsmöglichkeiten wie z. B. mobile Dienste, Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten und Pflegeangebote
- verlässliche Assistenz und professionelle Unterstützung behinderter Schüler:innen im Regelschulsystem, damit sie dort so lange wie möglich verbleiben können und das soziale Schulumfeld bestmöglich unterstützt wird
- einen Maßnahmenplan für inklusive Arbeit, damit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen passende Arbeitsplätze bekommen bzw. absichern und sich nach Krankheitsepisoden wieder gut eingliedern können
- integrierte Versorgungs- und Finanzierungsmodelle zur gesundheitlichen und sozialen Unterstützung für Menschen mit psychischen Behinderungen (derzeit kommen Sozial-Euros des Alltags vom Land, Gesundheits-Euros vom Bund)
- die Anpassung aller Einstufungsverfahren zur Erhebung von Unterstützungsbedarf (Pflegegeld, Behinderteneinstufungsmodell, Persönliche Assistenz, etc.) vom aktuell vorherrschenden medizinischen Modell hin zum bio-psycho-sozialen Modell, das den Unterstützungsbedarf für alle Menschen mit Behinderung(en) im Sinne von Inklusionsförderung definiert
Österreich sollte Vorreiter in Sachen Behindertenrechte sein
Die Rechte von Menschen mit Behinderungen müssen in Österreich endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Die Baustellen sind schon lange bekannt und wachsen aktuell sogar. Es ist ein Armutszeugnis der Verantwortlichen – egal, ob Bund oder Länder – wichtige Menschenrechte jenen Menschen zu verweigern, die ohnedies mit verschiedensten Schwierigkeiten und Barrieren im Alltag zu leben haben. „Ein Land wie Österreich sollte Vorreiter in Sachen Behindertenrechte sein und nicht ständig von internationalen Ausschüssen darauf hingewiesen werden, säumig zu sein“, so Leutner abschließend.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 18.09.2023
Artikel-Kategorie(n): News, UN Behindertenrechtskonvention
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