Am 28.11.2023 wurde der KV-Abschluss der SWÖ verkündet. Doch nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden: „Lieber schlechter Abschluss statt Streik?“ titelte Betriebsratsvorsitzende Selma Schacht. Von einem „Kniefall vor der Politik“ sprach PSZ-Betriebsrat Stefan Taible. Auch „Sozial aber nicht blöd“ fand klare Worte: „9,2% sind nicht genug!“
Während andere Branchen unverdrossen für höhere Gehälter kämpfen, kam es in der Sozialwirtschaft heuer anscheinend reibungslos zu einem KV-Abschluss. Bereits in der dritten Verhandlungsrunde einigten sich Arbeitgeber:innen und Betriebsrät:innen auf 9,2% Gehaltserhöhung auf bestehende IST- und Tabellenlöhne. Eine Einigung, die jedoch nicht von allen unterstützt wurde: 16 der 43 Betriebsrät:innen des großen Verhandlungsteams stimmten in der Nacht auf 28.11. gegen den Abschluss, 27 dafür. Allein diese Zahlen machen deutlich, dass sich viele mehr erwartet hatten – was angesichts der ursprünglichen Forderung von 15% wenig verwundert.
Gewerkschaft: Branche verdient 22% unter österreichischem Durchschnitt
“Es wurde viel und zu recht gefordert, denn die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich haben sich mehr verdient“, so Karin Stanger, AUGE/UG (Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen) Bundessprecherin. Laut Gewerkschaft verdient die Branche um 22% weniger als der österreichische Durchschnitt, es herrscht großer Personalmangel und zusätzlich eine Inflation von 8,7% – viele Gründe, welche die Forderung von 15% nicht nur nachvollziehbar, sondern sogar dringend notwendig machen!
Auch die Initiative „Sozial aber nicht blöd“ betont, der SWÖ-Abschluss sei erneut eine vertane Chance auf eine Verbesserung der prekären Arbeitsbedingungen im Sozial- und Behindertenbereich, Niedriglöhne werden dadurch schlichtweg „einzementiert“.
„Mit Streiks wäre mehr drinnen gewesen“
„Tausende Kolleg:innen waren und sind streikbereit! Und trotzdem wollte die Verhandlungsgruppe offenbar auf Biegen und Brechen einen Abschluss durchbringen, auch wenn dieser weit hinter den gemeinsamen viel weitergehenden Forderungen liegt“, bringt Betriebsratsvorsitzende und AK-Rätin Selma Schacht ihren Unmut über den schnellen Abschluss zum Ausdruck.
Tatsächlich gab es bereits im Vorfeld einen eindeutigen Streikbeschluss, um – ähnlich wie bei den Metaller:innen und im Handel – im Falle eines notwendigen Verhandlungsabbruchs sofort in Streik gehen zu können. Auch „weite Teile der Bevölkerung waren mit den Beschäftigen im Pflege- und Sozialbereich solidarisch“, betont Michael Gehmacher, Betriebsrat Wiener Samariterbund (WSD) die Bereitschaft zur Mobilisierung.
Angesichts der raschen Einigung blieb die Kampfbereitschaft letztlich ungenutzt. Umso größer die Enttäuschung vieler Mitarbeiter:innen der Sozialwirtschaft: „Mit Streiks wäre mehr drinnen gewesen!”
Fehlender Mut und wenig Kampfbereitschaft
Woran lag die schnelle – womöglich vorschnelle – Einigung? Laut Betriebsratsvorsitzende Selma Schacht war bereits in der Betriebsrät:innen-Konferenz, welche eine Woche vor der 3. Verhandlungsrunde stattfand, nur wenig Kampfgeist spürbar. Obwohl man die Notwendigkeit verbesserter Arbeitsbedingungen hervorhob, „wurden entsprechende Arbeitskampfmaßnahmen und Streiks komplett ausgeklammert, die Möglichkeit für Diskussion und Austausch gab es für die hunderten angereisten Betriebsrät:innen nicht.“
Ein Grund dafür bestand womöglich darin, dass das Einstiegsangebot der Arbeitgeber:innen genau auf der Inflationsrate und damit höher als in anderen Branchen lag. Somit schienen so manche Betriebsrät:innen bereits zufriedengestellt – ungeachtet des unterdurchschnittlichen Verdiensts, welcher der Branche zu schaffen macht. Auch hatten die meisten Fördergeber bereits vor der 3. Verhandlungsrunde die Fördergelder in der Höhe des jetzigen Abschlusses budgetiert, lässt AUGE/UG wissen.
Es fehle an Mut, um für echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu kämpfen, so die einhellige Meinung enttäuschter Stimmen. „Dementsprechend müssen wir diese Gewerkschaft dringend weiter von unten verändern, damit sich oben etwas tut!“ zeigt sich Schacht überzeugt.
Quellen:
KOMintern | 28.11.2023
KV Sozialwirtschaft: Gewerkschaften lieber für schlechten Abschluss statt Streik?
https://www.komintern.at/kv-sozialwirtschaft-gewerkschaften-lieber-fur-schlechten-abschluss
AUGE/UG via OTS | 28.11.2023
AUGE/UG zum KV-Abschluss in der Sozialwirtschaft: Ein Kniefall vor der Politik.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231128_OTS0211/
Initiative „Sozial aber nicht blöd“ via Facebook
https://www.facebook.com/sozialabernichtbloed
AutorIn: Alice Bauer
Zuletzt aktualisiert am: 08.01.2024
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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