Neues Rundschreiben zu Persönlicher Assistenz in Bildungseinrichtungen bringt Verbesserungen für Kinder mit Behinderungen.
Etliche Schüler:innen waren bisher von Persönlicher Assistenz in Bildungseinrichtungen ausgeschlossen. Konkret wurde diese nur Kindern mit körperlichen Behinderungen ab Pflegestufe 5 (unter gewissen Umständen auch Pflegestufe 3) zugestanden. Daher brachte der Klagsverband im Juli 2021 eine Verbandsklage gegen die Republik Österreich ein – so wird bspw. Kinder mit Sinnesbehinderungen oder Autismus-Spektrum-Störungen eine umfassende Bildung untersagt.
Im März 2023 entschied das Wiener Handelsgericht zugunsten der Kläger, da eine konkrete Diskriminierung seitens des Bundes gegen Kinder mit Behinderungen geortet wurde. Aufgrund dieses Urteils wurde das problematische Rundschreiben nun neu formuliert und im September 2023 erlassen.
„Ich freue mich über das Einlenken des Bildungsministers und die Neuregelung der Persönlichen Assistenz an Bundesschulen.“, so Theresa Hammer, fachliche Geschäftsführerin und Leitung der Rechtsdurchsetzung des Klagsverbands. „Damit ist zumindest eine Grundlage geschaffen, damit Schüler*innen mit einer Sinnesbehinderung oder im Autismus-Spektrum nicht mehr von vornherein von bedarfsgerechter Persönlicher Assistenz ausgeschlossen werden.“
Leider wurde die neue Regelung noch nicht breit veröffentlicht: „Beratungsstellen und betroffene Familien müssen von diesen neuen Möglichkeiten wissen, sonst kommt es wieder zu diskriminierenden Ausschlüssen.“, so Hammer. Weiters verweist sie auf die Pflicht der Bildungsdirektionen und Schulen, diese Unterstützungsmöglichkeiten auch tatsächlich bereitzustellen.
Neuregelung: Konkrete Bestimmungen
Der neue Erlass vom September 2023 verweist zu Beginn auf das Ziel eines inklusiven Bildungssystems. So muss es „für all jene Schülerinnen und Schüler bzw. Studierende, die grundsätzlich das Potential zur Erreichung des Bildungsziels einer Schulart haben, Unterstützungsmöglichkeiten bereitstellen, um die Nachteile, die aufgrund einer Behinderung entstehen, auszugleichen.“
So soll „für alle Arten Behinderungen die passende Unterstützungsleistungen“ in Bezug zu Bildungseinrichtungen bereitgestellt werden. Dabei wird von der Zeit in der Einrichtung selbst, dem Hin-, und Rückweg, sowohl ein- und mehrtägigen Schulveranstaltungen geschrieben.
Als fundamentale Voraussetzungen für die Unterstützungen wird genannt, dass die betroffenen Schüler:innen über die „erforderlichen fachlich-inhaltlichen Voraussetzungen für die angestrebte Ausbildung“ verfügen. Weiters muss eine Einstufung in einer Pflegestufe vorliegen – Personen ohne Pflegestufe sind jedoch auch umfasst, wenn ein entsprechender fachärztlicher oder klinischpsychologischer Befund vorliegt.
Es wird außerdem von einer unbedingten Dringlichkeit hinsichtlich der Unterstützung geschrieben – wenn also anders Abhilfe in „zumutbarem Rahmen“ geschaffen werden, so ist die „Gewährung einer personellen Unterstützung subsidiär“.
Assistenten unterstützen im Schulalltag
Hinsichtlich dieser Zielsetzung nennt der Erlass drei mögliche Unterstützungsleistungen:
1) Persönliche Assistenz in Bildungseinrichtungen
Insbesondere für Kinder mit einer körperlichen Behinderung bzw. hochgradigen Sehbehinderung/Blindheit wird die Persönliche Assistenz gemäß der Formulierung im § 25a des Kollektivvertrages der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV) angeführt. Persönliche Assistenz hat demnach die Aufgabe „individuelle Dienste für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen im beruflichen wie privaten Umfeld bereit zu stellen, wobei die Anleitungskompetenz beim behinderten Menschen liegt.“
Dabei werden als Beispiel von Hilfestellungen unter anderem Handreichung während des Unterrichts, Unterstützung beim Raumwechsel, Assistenz während der Pausen sowie Körperpflege während der in der Bildungseinrichtung zu verbringenden Zeit genannt.
Das Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verweist weiters in dem Erlass auf die Assistenzservicestellen, die zur Betreuung, Beratung sowie die Abwicklung der vertraglichen und finanziellen Angelegenheiten bezüglich der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz schon existieren. Diese werden nun auch für die PAB verwendet.
Von dort kann in weiterer Folge ein Antrag auf Finanzierung an eine Schulbehörde geschickt werden. Die Höhe des Kostenersatzes soll laut Erlass bis zu 40 Euro netto pro Stunde betragen. Dabei sind Anfahrtskosten, Zeitversäumnis und Vor- bzw. Nachbereitungszeit inkludiert. Die Auswahl, Betreuung und Bezahlung der Persönlichen Assistent:innen erfolgt über diese Assistenzservicestellen.
2) Schulassistenz soll bei Autismus entlasten
Im Hinblick auf die benötigten Hilfestellungen von „Schülerinnen und Schülern mit einer AutismusSpektrum-Störung“ wird auf „Schulassistenz“, wie sie im § 22b des SWÖ-KV festgelegt ist, verwiesen. Darunter wird demnach eine Unterstützung im Schulalltag im Sinne der „pädagogischen Arbeit“ verstanden. Schulassistent:innen arbeiten daher mit ihren Schützlingen auf bspw. „räumliche und zeitliche Orientierung, Schaffung von Ordnung und Struktur am Lernplatz, soziales Lernen sowie Training von sozialen Kompetenzen“ hin.
Die Schulassistent:innen werden in allen Bundesländern mit Ausnahme von der Steiermark von der pro mente bereitgestellt. In der Steiermark wird dies die Lebenshilfe Soziale Dienste GmbH übernehmen.
Hierbei melden die Erziehungsberechtigten den Bedarf einer Assistenzleistung direkt bei der Schule – diese leitet den Antrag direkt weiter.
3) Dolmetscher:innen übersetzen Schule
Zu guter Letzt nennt der Erlass auch die Möglichkeit einer „Dolmetschleistung“ für den Schulalltag. Dabei können Dolmetscher:innen entweder als Gebärdensprachdolmetscher:innen oder Schriftdolmetscher:innen fungieren. Dolmetschleistungen sind im Erlass für schwerhörige und gehörlose Schüler:innen gedacht.
Auch hier wird ein Antrag direkt über die Schule gestellt. Im Hinblick auf die Feststellung des Bedarfes kann das Bundesinstitut für Gehörlosenbildung herangezogen werden.
Die Höhe des Kostenersatzes beträgt bis zu EUR 140 netto pro Stunde. Dabei sind auch wieder Anfahrtskosten, Zeitversäumnis und Vor- bzw. Nachbereitungszeit inkludiert.
Weitere Maßnahmen notwendig
Wenn auch das Aufheben des diskriminierenden Erlasses und die darauffolgende Neuregelung durch den eben erläuterten Erlass Besserungen für Kinder mit Behinderungen in Bezug auf deren Bildung zur Folge hat, so ist auf keinen Fall alles getan.
„Von einem inklusiven Bildungssystem, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention fordert, sind wir trotz der Besserung im Bereich der Persönlichen Assistenz an Bundesschulen aktuell weit entfernt. Der Erlass wird vom Unabhängigen Monitoringausschuss begrüßt, diesem Schritt müssen nun dringend weitere Maßnahmen des Bildungsministeriums folgen.“, betont Tobias Buchner vom Unabhängigen Monitoringausschuss.
So muss der Blick weiterhin auf die geltenden Regelungen zum 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderungen, auf die immer noch existierenden Sonderschulen und allgemein auf die Ergebnisse der Staatenprüfung im vergangenen Sommer gerichtet sein.
Buchner fordert: „Österreich muss umgehend damit beginnen, das Sonderschulsystem aufzulösen und die frei werdenden Ressourcen für die Verbesserung der inklusiven Bildung an Regelschulen zu nutzen.“ Er betont, dass es eine „landesweite Strategie, die von Bund und allen Ländern konsequent umgesetzt werden muss“ braucht, um endlich richtige Inklusion im Bildungsbereich gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention 2008 umzusetzen.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 06.12.2023
Artikel-Kategorie(n): News, Persönliche Assistenz, Schulische Integration
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