Der Kampf um kostendeckende Leistungspreise für die Behindertenhilfsträger geht weiter. Nachdem das LG für ZRS (Landesgericht für Zivilrechtsachen) Graz eine einstweilige Verfügung gegen das Land Steiermark abgelehnt hat, geht die Chance B in die zweite Instanz.
Parallel dazu rechnet man nun auch mit der Einleitung des eigentlichen Hauptverfahrens. „Das Gericht ist in seiner Entscheidung überhaupt nicht auf die Frage der Kostendeckung bzw. eines fairen Leistungspreises eingegangen. Stattdessen hat es festgestellt, dass das Land in Fragen der preislichen Gestaltung an die LEVO gebunden ist und daher auch nur diese Preise bezahlen kann. Das halten wir für völlig verfehlt. Das Gericht übersieht in dieser Frage nämlich, dass sich das Land Steiermark diese Verordnung ja selbst gegeben hat. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Folgt man dieser Argumentation würde das nämlich faktisch ein einseitiges Preisdiktat des Landes bedeuten. Dann könnte das Land genausogut Null als entsprechenden Preis festsetzen“, so die beiden Chance B-Geschäftsführer Franz Wolfmayr und Mag.a Eva Skergeth-Lopič.
Daher wird die Chance B nun gegen diese Entscheidung Rekurs beim OLG Graz erheben. Parallel dazu wird auch das eigentliche Hauptverfahren am LG Graz eröffnet werden. „Diese Entscheidung über die EV ist keinesfalls präjudiziell für das eigentliche Hauptverfahren, da sich das Gericht bis dato noch nicht mit der Frage von kostendeckenden Leistungspreisen auseinandergesetzt hat. Das heißt, wir sehen sowohl der Entscheidung des OLG im Provisorialverfahren als auch dem eigentlichen Hauptverfahren weiter positiv entgegen“, sagen die beiden Geschäftsführer.
Bis zu einer Entscheidung wird die Chance B entsprechend der mit dem Land Steiermark getroffenen Vereinbarung zu den derzeit gültigen LEVO-Sätzen die Verrechnung durchführen. „Auch wenn diese vom Land bezahlten Preise nicht kostendeckend sind, so sind wir doch unseren Klientinnen und Klienten verpflichtet. Deshalb werden wir auch, so lange es für uns möglich ist, weiter unsere Leistungen erbringen“, so Wolfmayr und Skergeth-Lopič.
Die Unterzeichnung der vom Land angebotenen Verträge hätte für die Chance B allein im Jahr 2012 einen Verlust von 738.000,- Euro bedeutet. Für die gesamte Branche der steirischen Behindertenhilfe wird allein für das Jahr 2012 ein kumulierter Abgang von rund 10 Millionen Euro prognostiziert. „Als Geschäftsführer haben wir bei der Führung des Betriebs die Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers einzuhalten. Schon aus rechtlichen Gründen war es daher für uns unmöglich, einen Leistungsvertrag zu unterzeichnen, der kein kostendeckendes Leistungsentgelt vorsieht und damit die dauerhafte Erwirtschaftung von Verlusten bedeutet hätte“, so die Geschäftsführer abschließend.
Hintergrund
Die Steiermärkische Landesregierung ist nach Bundesverfassung verpflichtet, Leistungen für Menschen mit Behinderung zu erbringen. Mangels ausreichender eigener Einrichtungen bedient sich das Land seit vielen Jahren dazu gemeinnütziger Organisationen, wie zum Beispiel der Chance B. Somit erbringt die Chance B Hilfeleistungen, welche das Land Steiermark eigentlich selbst erbringen müsste. Aus diesem Grund hat die Chance B – und auch die anderen Träger – einen Anspruch auf Bezahlung jener Kosten, die dem Betrieb durch die Erbringung der Hilfeleistung entstehen (kostendeckender Leistungspreis). Im März 2011 hatte das Land Steiermark sämtliche Leistungsverträge mit allen Trägern in der Steiermark, sohin auch der Chance B, zum 31.03.2012 aufgekündigt. Dies erfolgte ohne jedweden sachlichen Grund. In der Folge wurden den Trägern neue Leistungsverträge angeboten, die keinen kostendeckenden Leistungspreis sowie zahlreiche rechtswidrige Bestimmungen beinhalten. Nachdem Verhandlungsgespräche mit dem zuständigen Landesrat Siegfried Schrittwieser keine Einigung brachten, wurde von Seiten der Chance B eine Klage gegen das Land Steiermark eingereicht. Mit Entscheidung vom 19. April 2012 hat das zuständige Gericht einen vorläufigen Rechtsschutz durch Einstweilige Verfügung in erster Instanz abgelehnt. Chance B wird gegen diese Entscheidung Rekurs beim OLG Graz erheben. In den nächsten Wochen ist desweiteren auch mit der Eröffnung des Hauptverfahrens am LG Graz zu rechnen.
Chance B
Der Verein „Chance B“ wurde 1986 als Selbsthilfeverein von Eltern behinderter Kinder und Jugendlicher sowie von LehrerInnen der Allgemeinen Sonderschule Gleisdorf gegründet. Als Vereinziel wurde definiert, mit aktiver gesellschaftlicher Arbeit sicherzustellen, dass alte, kranke und behinderte Menschen in der Region leben können, mit allem was zu einem erfüllten Leben gehört. Zur Erreichung dieses Vereinszwecks wurden Dienstleistungsangebote für Menschen jeden Lebensalters aufgebaut, die dazu dienen sollen, behinderungsbedingte Benachteiligungen auf dem Weg zu einer selbständigen Lebensführung auszugleichen. Der Verein ist mittlerweile ausschließlich Interessenvertretung für Familien und Angehörige behinderter Menschen sowie für behinderte Menschen selbst. Für seine operative und wirtschaftliche Tätigkeit hat er gemeinnützige GmbHs aufgebaut.
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Quelle: Chance B
AutorIn: Chance B
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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