Als Teilnehmer der Fachkonferenz „Sozialwirtschaft – Nutzen für die Gesellschaft“ am 19.11.2012 sind mir einige kritische Gedanken durch den Kopf gegangen, und diese möchte ich hier niederschreiben. Ein Kommentar von Thomas Stix.
Seit kurzem nennt sich die Berufsvereinigung der Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialbereich (BAGS) „Sozialwirtschaft Österreich“. War die Hauptaufgabe dieser Vereinigung in den vergangenen Jahren die Ausverhandlung des Kollektivvertrags, so soll nunmer die Bedeutung der „Sozialwirtschaft Österreich“ steigen und die Aufgaben mehr in Richtung Interessenvertretung der rund 300 Mitgliedsorganisationen ausgebaut werden. Ihr Vorstandsvorsitzender Wolfgang Gruber wird auch nicht müde, die Bedeutung des Gesundheits- und Sozialbereichs als „Wirtschaftsbranche“ und „Wachstumstreiber“ hervorzuheben. Dies ist nur ein wenig von dem vielen Vokabular aus der Betriebs- und Volkswirtschaft, das bei dieser Tagung verwendet wurde. Überhaupt schien die Konferenz zeitweise zu einem Loblied an die „Sozialwirtschaft“ und deren Institutionen zu werden, die alleinig das zukünftige Fortkommen Österreichs sichern würden…
Gewiss ist der Gesundheits- und Sozialbereich eine tragende Säule unserer Gesellschaft, aber man muss sehr aufpassen, dass man das Wesentliche nicht aus den Augen verliert: nämlich dass dieser Bereich mit Menschen arbeitet, und zwar meistens mit den schwächsten, den verletzbarsten und mit denen, die am wenigsten Gehör finden. Und gerade aus diesem Grund müssen sich Organisationen des Sozialbereichs immer und immer wieder selbst hinterfragen und auch die Machtstrukturen in und um sich in Frage stellen.
Das Wichtigste für Wirtschaftsbetriebe ist es, Umsatz, Einfluss und Macht ins Grenzenlose auszubauen. Dieses Gesetz darf für Betriebe der „Sozialwirtschaft“ nicht gelten! Beispiele von ausufernden Machtstrukturen konnte man zuletzt etwa bei den Skandalen um die Lebenshilfe Tirol sehen. Leidtragende solcher Entwicklungen sind die sg. Kundinnen und Kunden…
Eine Machtverschiebung ist notwendig. Nämlich eine Machtverschiebung von den Institutionen zu den LeistungsnutzerInnen. Macht heißt bei uns vor allem Geld. Und daher muss das im Sozialbereich (vor allem im Behindertenbereich) noch immer vorherrschende Sachleistungsprinzip (Institution bekommt Geld und gibt Behinderten Leistung) in ein Geldleistungsprinzip (Behinderter bekommt Geld und kauft Leistung) umgeändert werden.
Eine solche Veränderung würde klarerweise für die Institutionen und Organisationen im Sozialbereich einen Machtverlust bedeuten. Aber genau auf diesem Machtverlust muss sich die „Sozialwirtschaft“ einlassen – wenn es ihr nicht um sich selbst sondern um die Menschen geht, für die sie arbeitet.
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
Permalink: [Kurzlink]