Auch wenn es ungewöhnlich ist und bei so manch einer Unverständnis hervorrufen wird, möchte ich mich mit diesem Kommentar ganz speziell bei meinem Assistentinnen-Team bedanken…
Durch meine Persönlichen Assistentinnen friere ich manchmal, z.B. wenn ich Stunden in strömendem Regen in der Schlange vor einem Springsteen-Konzert stehe.
Durch meine Persönlichen Assistentinnen hab ich manchmal Hunger, z.B. wenn ich vor lauter frisch verliebt tagelang nicht viel ans Essen denke.
Durch meine Persönlichen Assistentinnen „stinke“ ich auch mal, wenn z.B. auf einer Reise nicht immer ein barrierefreies Bad zur Verfügung ist.
Anders formuliert: Persönliche Assistenz ermöglicht mir, mein Leben so zu führen, wie ich es mir vorstelle. Mit allen wunderbaren, schönen, freudigen, traurigen, schrecklichen, anstrengenden Momenten die das Leben so bieten kann. Mit all den Menschen, die ich liebe, mit denen ich befreundet bin, mit denen ich zusammenarbeite, mit denen ich politisch aktiv bin und mit denen, die ich nicht ausstehen kann.
Persönliche Assistenz ist mehr als nur das in Anspruch nehmen einer Dienstleistung, wo ich entscheide, wer wann was wie und wo tut. Persönliche Assistenz ist mehr als nur eine Finanzierungsform. Persönliche Assistenz ist mehr als nur ein Job.
Persönliche Assistenz erfordert gegenseitig Respekt, Achtung und Vertrauen. Es muss in diesem Arbeitsverhältnis allen Beteiligten gut gehen.
Und ja, es ist ein Arbeitsverhältnis
Ich bin nicht mit meinen Assistentinnen befreundet oder liiert und ich wohne auch nicht mit ihnen zusammen. Durch Persönliche Assistenz wird nichts kompensiert, sondern ermöglicht.
Warum wird eigentlich das Persönliche so betont? Das ist so einfach erklärt wie es auch schwierig umzusetzen ist. Für mich bedeutet es, dass meine Assistentinnen meinen Lebensentwurf voll und ganz respektieren und ihn auf keinen Fall in Frage stellen. Ich will mich in meinem engsten Umfeld nicht erklären, rechtfertigen oder entschuldigen müssen. Ich will mich in jeder Situation mit meinen Assistentinnen sicher und wohl in meiner Haut fühlen können. Meine Assistentinnen kriegen sehr viel von meinem Privatleben mit. Gerade da ist eine Haltung ähnlich eines Body-Guards hilfreich, d.h. da zu sein ohne präsent zu sein. Ähnlich ist es auch in meinem Berufsleben bzw. bei meinen politischen Aktivitäten.
Und immer wenn ich mit behinderten Menschen zu tun habe, die nicht mit Persönlicher Assistenz leben dürfen, weil sie irgendwelche willkürlichen Kriterien nicht erfüllen, erfüllt es mich mit Demut und Traurigkeit aber auch mit Wut. Ich habe Demut vor dem Über-Lebens-Willen vieler behinderter Menschen, die in Einrichtungen leben müssen und es macht mich traurig, dass ihre Bedürfnisse oft auf „warm, satt und sauber“ reduziert werden. Wütend werde ich, weil ich mich nicht privilegiert fühlen möchte.
Durch meine Assistentinnen kann ich das Leben führen, das ich führen möchte. Daraus schöpfe ich die Kraft, emanzipatorisch zu arbeiten und mich für Menschenrechte zu engagieren. Und ein Leben außerhalb einer Behinderten-Einrichtung führen zu können ist kein Privileg sondern ein Menschenrecht!
Persönliche Assistenz ist also Menschenrechts-Arbeit!
Und in meinem Fall wohl mehrfach – Vielen Dank an mein Assistentinnen-Team, dass ihr all dies ermöglicht!
AutorIn: Tamara Grundstein
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News, Selbstbestimmtes Leben
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