Die Österreichische Bundesverfassung – die Grundlage für alle Österreichischen Gesetze – feiert dieser Tage ihr 100-jähriges Bestehen. Dies soll auch eine Mahnung für die Politik sein, Gleichbehandlung voranzutreiben.
Als Baustelle, bei der nicht viel weiter geht, kann man den Zustand der Behindertenpolitik in Österreich in den letzten Jahren wohl am besten bezeichnen. Sehen kann man das sehr anschaulich an der Nichtumsetzung des „Nationalen Aktionsplans Behinderung 2012-2020“. Eine 2016 vom Sozialministerium vorgelegte „Zwischenbilanz“ konnte keine bahnbrechenden Fortschritte vorweisen.
Baustellen der Behindertenpolitik
Die großen Baustellen, so sind sich Experten einig, sind die Bereiche Bildung, selbstbestimmtes Wohnen / persönliche Assistenz sowie Arbeit / Beschäftigung.
Im Bildungsbereich ist Inklusion vielerorts noch ein Fremdwort. Für viele behinderte Kinder und Jugendliche ist die Sonderschule noch immer Alltag. Inklusive Schulen haben oft nur Modellcharakter. Ein echtes Miteinander und nicht selbstverständlich.
Der Bereich Wohnen und persönliche Assistenz ist eine weitere Baustelle der Behindertenpolitik. Die verschiedenen Bundesländer kochen bei der Persönlichen Assistenz seit Jahren an ganz unterschiedlichen Suppen, die mehr oder weniger gut schmecken oder – wie in Wien wegen der Untätigkeit der Stadtregierung regelrecht vergammeln. Auf Bundesebene ist zwar die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz geregelt, aber hier fehlt der notwendige Rechtsanspruch.
Das Thema Arbeit und Beschäftigung rückte in letzter Zeit vermehrt in den Fokus. Mit der Parole „Gehalt statt Taschengeld“ machen verschiedene Behindertenorganisationen darauf aufmerksam, dass Menschen in Behindertenwerkstätten nur ein Taschengeld und keinen echten Lohn für ihre Arbeit bekommen.
„Gehalt statt Taschengeld“
„In diesen Tagen denken wir viel über den 100. Entstehungstag unserer Verfassung nach: Aus diesem Anlass betont die Lebenshilfe gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, dass die in der Verfassung geforderte und versprochene Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen noch lange nicht eingelöst ist. Viele Schritte – besonders im Bereich der Bildung, der persönlichen Assistenz und der Arbeit – sind noch zu gehen“, so Lebenshilfe-Generalsekretär Albert Brandstätter.
Rund 25.000 Menschen mit Behinderung müssen trotz täglicher Beschäftigung in einer Tagesstruktur auf jeden Gehaltsanspruch und jede Pensions- und Krankenversicherung verzichten, bemängelt die Organisation DAS BAND. „Wenn heute und in den kommenden Tagen des 100. Geburtstages unserer Verfassung gedacht wird, soll daran erinnert werden, dass die in der Verfassung geforderte und versprochene Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen noch lange nicht eingelöst ist.“, so Prof (FH) Dr. Tom Schmid in einer Aussendung.
ÖBR will neuen NAP Behinderung
Der Österreichische Behindertenrat regt in seiner Presseaussendung anlässlich 100 Jahre Verfassung die Erstellung eines neuen Nationalen Aktionsplans Behinderung an.
„Die Bundesländer und der Bund sollen daher ihre Anstrengungen zur Entwicklung des Nationalen Aktionsplans Behinderung 2022-2030, unter Einbindung von Menschen mit Behinderungen intensivieren, damit Art 7 B-VG und die UN-Behindertenrechtskonvention endlich erfüllt werden und es tatsächliche Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen in Österreich gibt“, fordert ÖBR-Präsident Herbert Pichler.
Quellen
Lebenshilfe Österreich via ots.at | 05.10.2020
Presseaussendung vom 01.10.2020 | Lebenshilfe: 100 Jahre Verfassung sind ein Appell zur Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen
DAS BAND – gemeinsam vielfältig via ots.at | 05.10.2020
Presseaussendung vom 01.10.2020 | 100 Jahre österreichische Verfassung: Versprechen zur Gleichbehandlung noch immer nicht eingelöst
Österreichischer Behindertenrat via ots.at | 05.10.2020
Presseaussendung vom 02.10.2020 | 100 Jahre Verfassung
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 07.10.2020
Artikel-Kategorie(n): Gesetze, News
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