Auf Ihrer Facebook-Seite freut sich Sonja Wehsely über den Baufortschritt einer neuen Wiener Bettenburg. Thomas Stix ist weniger erfreut und kommentiert dies.
Hautnah kriegt man auf der Facebook-Seite von Gesundheits- und Sozialstadträtin Mag.a Sonja Wehsely mit, wie die Baustelle des Pflegeheims Baumgarten aussieht. Frau Wehsely schickt ihren Facebook-FreundInnen das Foto eines Baukrans via Handy. Sie freut sich auch sehr darüber, und tut dies mit einem Smiley :-) kund.
Das Pflegeheim Baumgarten mit geplanten 326 Betten ist eine von mehreren neuen Bettenburgen, die die Stadt Wien in den nächsten Jahren aus dem Boden stampfen wird. Vor ein paar Tagen ist auch das Siegermodell für das Pflegeheim Rudolfsheim-Fünfhaus vorgestellt worden: 336 Betten, Fertigstellung 2015/16.
Auf Facebook ist es nun möglich, Einträge von Facebook-FreundInnen zu kommentieren. Und ein Behinderter hat das auch gemacht. Er ist offensichtlich weniger erfreut über den Monsterbau wie die Stadträtin.
Es ist erschreckend, was da passiert, muss ich ehrlich sagen. Als jemand, der in der Behindertenbewegung tätig ist, beobachte ich seit Jahren die Bemühungen von uns Betroffenen, Behinderten- und Pflegehäuser abzuschaffen, Wohneinheiten zu verkleinern, Organisationsstrukturen zu deinstitutionalisieren. So verstehe ich auch eine moderne „Pflegepolitik“: So lange wie möglich in der eigenen Wohnung bleiben mit mobilen Hilfen. Dazu sind klarerweise barrierefreie Wohnungen nötig, sprich, vorhandene Wohnungen müssen umgebaut werden.
Anstatt jedoch Gelder in den Barrierefrei-Umbau zu investieren, werden solche Pflegeburgen gebaut. Da hat die Wiener Sozialpolitik nicht viel gelernt. Großprojekte dieser Art sind auch finanzielle Fässer ohne Boden. Wenn so ein Ding einmal steht, muss das Geld weiter reinfließen, und sparen muss man es dann bei der mobilen Betreuung. Eine mangelhafte mobile Betreuung bedeutet wiederum, dass die Menschen früher ins Heim müssen… Ein Teufelskreis also, zum Schaden der Alten und Pflegebedürftigen.
Nochmal zurück zur Facebook-Seite: Es erscheinen daraufhin mehrere Kommentare von Pflegeheim-GegnerInnen als Antwort auf Wehsely’s Eintrag. Nur leider war die Frau Stadträtin selbst nicht couragiert genug, um etwas zu diesen Gegenargumenten zu sagen. Kritik von „unten“ wird einfach übersehen/überhört und die Steinzeitpolitik unbeirrt fortgesetzt.
Conclusio: Da helfen auch die modernsten Medien nichts, wenn an den Grundstrukturen und Denkmustern alles veraltet ist.
[15.11.2011: Auf die Veröffentlichung dieses Artikels reagierte Stadträtin Wehsely folgendermaßen: Auf Facebook hat Wehsely den „Freundschaft“-Status gegenüber mir und einer Kollegin von mir, die ebenfalls an der Diskussion auf Facebook beteiligt war, aufgehoben. Es ist uns nun also nicht mehr möglich, auf die Facebook-Pinnwand von Stadträtin Wehsely zu posten. Kritik wird bei der Wiener SPÖ so einfach weggewischt…]
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 14.11.2011
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
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