Nach einem jahrelangen Rechtsstreit eines behinderten Menschen mit Status „begünstigt behindert“ mit den Behörden stellt nun der Verwaltungsgerichtshof fest, dass es das Recht des Behinderten sei, auf diesen Status zu verzichten.
Aufgrund seines Antrages wurde gegenüber einem Behinderten im Jahr 2001 gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) festgestellt, dass der Behinderte mit einem Grad der Behinderung von 70 % dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört. Seit September 2007 begehrt der Behinderte die „Streichung aus dem Kreis der begünstigten Personen“. Begründend erläuterte er ausführlich, dass die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten seine Arbeitssuche erheblich erschweren würde.
Behinderteneinstellungsgesetz sieht keinen Verzicht auf Begünstigung vor
Damit hatte er auch vor der Behörde 2. Instanz keinen Erfolg: Da das Behinderteneinstellungsgesetz keinen Verzicht auf die Begünstigteneigenschaft vorsehe, sei es der Behörde verwehrt, dem Verlangen des Behinderte nachzukommen, wenn weiterhin ein Grad der Behinderung von 70 % objektiviert werden konnte.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht der belangten Behörde nicht.
Verzicht auf Feststellung nicht unzulässig
Das Recht, dem Kreis der begünstigten Behinderten anzugehören, ist ein subjektiv öffentliches Recht des Behinderten. Nur er ist Partei des auf seinen Antrag zu führenden Feststellungsverfahrens nach § 14 Abs. 2 BEinstG. Auf dieses ihm gewährte Recht will hier der Behinderte verzichten. Entgegen der Ansicht der Behörde folgt aus dem Fehlen einer einen derartigen Verzicht ausdrücklich zulassenden Bestimmung im Gesetz noch nicht, dass dieser unzulässig wäre; vielmehr ist ein Verzicht auf subjektive öffentlich rechtliche Ansprüche zulässig, wenn nicht eine gesetzliche Bestimmung ausdrücklich etwas anderes anordnet.
Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten kein Zwang
Eine „Zwangsverpflichtung“ der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten kann dem BEinstG schon deshalb nicht entnommen werden, weil es im freien Willen des einzelnen Behinderten liegt, einen Antrag gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG zu stellen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es grundsätzlich der freien Disposition des Behinderten überlassen sein, ob er dem Kreis der begünstigten Behinderten angehören möchte. Dabei geht es um Leistungen an den und Berechtigungen des Behinderten sowie dessen bestmögliche Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch verschiedene Anreize und Förderungen. Wenn nun wie im Beschwerdefall der einzelne Begünstigte der subjektiven Ansicht ist, seine Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sei ihm bei der Arbeitssuche hinderlich, widerspräche es dem Zweck des Gesetzes, dem Behinderten die Möglichkeit des freiwilligen Verzichts auf seine Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten zu verweigern.
Daher hat der Behinderte einen Anspruch auf bescheidmäßige Feststellung, dass er „nicht zum Kreis der begünstigten Behinderten zählt“; insofern hat die Behörde die Rechtslage verkannt, sodass der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.
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VWGH Zl. 2009/11/0009 vom 30. September 2011
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Quelle: Österreichischer Verwaltungsgerichtshof
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsintegration und unterstützte Beschäftigung, News
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