Persönliche Assistenz als Ausweg aus der institutionellen Segregation von Menschen mit Behinderungen – Bericht für Selbstbestimmt Leben Österreich zur Situation der Persönlichen Assistenz in Österreich
Einleitung
Obwohl sich Österreich auf internationaler Ebene verschiedentlich zur Deinstitutionalisierung von Menschen mit Behinderungen bekennt, muss davon ausgegangen werden, dass zumindest 15.000 behinderte Frauen, Männer und Kinder als Insassen in mehr oder weniger großen Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe bzw. in Alten- und Pflegeheimen leben. Mit Persönlicher Assistenz leben in Österreich nur etwas mehr als 1.000 Menschen und die Ausgaben der öffentlichen Hand für Maßnahmen der institutionellen Segregation übersteigen jene für betreutes Wohnen bzw. Persönliche Assistenz um ein Vielfaches. Die Gründe dafür, dass in Österreich keine konsistente Strategie zur planvollen Deinstitutionalisierung von Menschen mit Behinderung existiert, liegen u.a. in der föderalen Zersplitterung der behindertenpolitischen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.
Durch einen seit Einführung der Pflegevorsorge bloß quantitativ geleiteten Ausbau sowohl vollbetreuter, teilbetreuter als auch „fallweise betreuter Wohnformen“ kam es seit 1994 zu einem stetigen Anstieg der Platzzahlen in stationären Einrichtungen in allen Bundesländern. Dies wirft die Frage auf, ob behinderte Menschen durch die Einführung der Pflegevorsorge nicht noch verstärkt aus der gesellschaftlichen Mitte entfernt wurden. Tradierte Machtverhältnisse in der Behindertenhilfe führen dazu, dass karitative Einrichtungen und Einrichtungen der privaten Fürsorge, vielfach auch kirchliche Träger, nach wie vor deutlich stärker an politischen Entscheidungs-prozessen partizipieren dürfen, als die Organisationen behinderter Menschen. Eine Bestandsaufnahme der Persönlichen Assistenz in Österreich ergibt, dass diese in jenen Bundesländern am stärksten ausgebaut ist, wo erfolgreiche Selbstbestimmt Leben Organisationen existieren. Im Sinne der individuellen Bedarfsabdeckung stellt die Bundeshauptstadt die derzeit höchsten Leistungen zur Verfügung, das Tiroler Modell weist den umfassendsten BezieherInnenkreis auf. Die Systeme in Salzburg, Kärnten und Vorarlberg müssen als kaum ausgebaut bis gar nicht vorhanden bezeichnet werden.
Der Übergang von der instutionellen Segregation zu gemeinwesenorientierten Unterstützungssystemen und Persönlicher Assistenz ist spätestens seit In-Kraft-Treten der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtend. Ein solcher planvoller Ausstieg aus der Segregation muss die Verdoppelung der Strukturen sowie „creaming off“ als potentielle Gefahren ausschließen. Der Ausstieg beginnt jedoch mit der Grundsatzentscheidung, nicht weiter in Betreuungseinrichtungen zu investieren und stattdessen den flächendeckenden Ausbau von gemeinwesenorientierten Unterstützungssystemen wie bedarfsorientierter Mobiler Dienste oder Persönlicher Assistenz zu beginnen.
Gesamter Text online auf bidok:
http://bidok.uibk.ac.at/library/stockner-assistenz.html
Quelle: bidok
AutorIn: Hubert Stockner
Zuletzt aktualisiert am: 18.01.2012
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