Rund ein Jahr nach Verkündung der Pflegereform folgt nun der zweite Teil: 18 Maßnahmen wurden am 24. Mai von der Regierung beschlossen, darunter die Anhebung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung und mehr Kompetenzen für Pflegepersonal.
Die Teuerung trifft Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf besonders hart, vor allem jene, die rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen sind. Ohne Ersparnisse ist das nötige Betreuungspersonal oft kaum finanzierbar. Entlastung verspricht die Regierung nun mit dem „zweiten Teil“ des Pflegepakets, welches am Mittwoch von Sozialminister Johannes Rauch, ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger präsentiert wurde. “Es sind einige gute Schritte dabei, aber die große Reform, die auch eine ehrliche Wertschätzung ausstrahlt, ist es nach wie vor nicht”, kommentiert Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.
Zuschuss für 24-Stunden-Betreuung erstmals seit 15 Jahren erhöht
Ab Herbst wird der Zuschuss für die 24-Stunden-Betreuung um 160 Euro erhöht, von 640 Euro auf 800 Euro, sofern zwei selbstständige Personenbetreuer zum Einsatz kommen. Bei Anstellung wird die Förderung von 1.280 Euro auf 1.600 Euro angehoben. Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich begrüßt die neuen Maßnahmen und hält fest, dass „eine Erhöhung der Förderung auf 800 Euro überfällig war, auch wenn wir uns für die Betroffenen eine noch deutlichere Steigerung gewünscht hätten.“
Nach Johannes Wallner, Geschäftsführer des ÖQZ-24 (Österreichische Qualitätszertifikat für Vermittlungsagenturen in der 24-Stunden-Betreuung) deckt die Anhebung der Förderung gerade einmal die Teuerung der letzten 15 Jahre ab. Der Zuschuss wurde seit 2007 nicht erhöht, eine automatische Anpassung an die Inflation, wie beispielsweise bei Pflegegeld oder Pensionen, wurde schlichtweg versäumt.
Kritik an unveränderter Einkommensgrenze für Förderzuschuss
Die Kosten einer 24-Stunden-Betreuung belaufen sich auf mehrere tausend Euro monatlich und sind selbst bei einem relativ guten Einkommen eine finanzielle Herausforderung. Eine Anhebung der 2.500-Euro-Einkommensgrenze für den Zuschuss blieb im neuen Maßnahmenpaket jedoch aus. Laut Fenninger wäre diese angesichts der hohen Inflation „dringend nötig“ gewesen.
Letztlich bleibt 24-Stunden-Betreuung somit ein Modell der wohlhabenden Schicht, bestätigt auch Kurt Schalek der Arbeiterkammer Wien im Ö1-Gespräch. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass 97% des Pflege- und Betreuungsbedarfs in Österreich von Angehörigen selbst übernommen wird – und das oft neben Job und anderen Verpflichtungen.
Pflegegeldeinstufung zukünftig durch Pflegepersonal
Positive Reaktionen gab es auf die Erhöhung der Kompetenzen für Pflegepersonal. So kann die Einstufung des Pflegegeldes nun direkt durch Pflegekräfte erfolgen und benötigt nicht Ärzt:innen oder Diplomiertes Pflegepersonal. Auch Medizinprodukte können ab Herbst unkompliziert von Pfleger:innen verordnet werden, wodurch bürokratische Hürden wegfallen.
Weitere Verbesserungen sieht Fenninger in der Aufstockung der Hausbesuche durch diplomiertes Personal sowie in der Unterstützung pflegender Angehöriger durch bis zu 10 kostenlose Angehörigengespräche.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzig langfristige Lösung
Insgesamt zeigten sich betroffene Berufsgruppen nach Verkündung des Pflegepakets II enttäuscht. Es fehle dringend an Maßnahmen, welche die Arbeitsbedingungen verbessern. Nach Volkshilfe Österreich braucht es die Investition von mehr Steuergeld in die Pflege, um den Pflegenotstand zu lösen. Mehr Geld bedeute vor allem, attraktivere Arbeitsbedingungen und damit mehr Menschen für Pflege- und Betreuungsberufe zu interessieren. Im internationalen Vergleich gibt Österreich nur 1,9% des BIP für Pflege aus, vergleichbare Länder wie Dänemark 2,5% und die Niederlande sogar 3,5%. (Quelle: BMASGK 2019 „Zukünftige Finanzierung der Langzeitpflege“)
Quellen:
Pflegereform Teil II – Die 18 Maßnahmen im Überblick
https://www.sozialministerium.at/Themen/Pflege/Pflegereform.html
Volkshilfe Österreich via OTS | 24.05.2023
Volkshilfe zu Pflege-Maßnahmenpaket: Wichtige nächste Schritte der Pflegeversorgung
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230524_OTS0141
ÖGB via OTS | 24.05.2023
ÖGB-Reischl zu Pflegereform: Immer noch keine wesentlichen Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230524_OTS0083
ÖQZ-24 via OTS | 25.05.2023
Durchwachsene Bilanz der Pflegereform Teil II
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230525_OTS0077
Ö1 Podcast | 23.05.2023
Moment: Zu wenig Geld für die Pflege
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 30.05.2023
Artikel-Kategorie(n): News, Pflegegeld und Pflegevorsorge
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