Der jüngste Bericht der Behindertenanwaltschaft wurde angesichts der bevorstehenden Staatenprüfung Österreich durch den UN-Fachausschuss in Genf erstellt. Er beleuchtet den Umsetzungsstand der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mit speziellem Fokus auf deren Diskriminierungsschutz in Österreich.
Die UN-Konvention wurde von Österreich mit einem Erfüllungsvorbehalt ratifiziert. Das heißt, dass sie nur insoweit gültig ist, als sie in nationales Recht umgesetzt wurde. Damit die Umsetzung tatsächlich erfolgt, ist laufende Überwachung erforderlich. Diese erfolgt durch den UN-Fachausschuss, eigens eingerichtete Monitoringstellen aber auch durch die Zivilgesellschaft. Der Bund, die Länder und die Gemeinden sind gleichermaßen zur Umsetzung der UN-Konvention verpflichtet. Das führt dazu, dass diese im Wirkungsbereich der einzelnen Gebietskörperschaften oft unterschiedlich und mit verschiedenen Geschwindigkeiten erfolgt.
Oft fehlt es an einheitlichen Standards. „Leider wurde seit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen keine strukturierte Übersetzung in nationales Recht vorgenommen“, erläutert Behindertenanwältin Christine Steger. „Wir können sehr unterschiedliche Standards in den Bundesländern feststellen, was dazu führt, dass Menschen mit Behinderungen teils sehr divergierende Unterstützungssysteme vorfinden. Das ist mit den Zielen der UN-Konvention nicht vereinbar.“
Diskriminierungsschutz von Menschen mit Behinderungen
In Österreich müssen behinderte Menschen, die von Diskriminierungen betroffen sind, ein Schlichtungsverfahren durchführen, bevor sie Klage bei Gericht erheben können.
Seit deren Einführung wurden etwas mehr als 4.000 Schlichtungsverfahren durchgeführt. Angesichts der geschätzten Zahl von mehr als 1,3 Millionen Menschen mit Behinderungen in Österreich, erscheint die Zahl der Schlichtungsverfahren in den vergangenen 17 Jahren sehr gering. „Bei der Erstellung des Gleichstellungsgesetzes ist man von rund 1.000 Schlichtungen pro Jahr ausgegangen. Die vergleichsweise geringe Zahl an Schlichtungen nach 17 Jahren zeigt, dass nur ein Bruchteil der diskriminierten Menschen mit Behinderungen tatsächlich eine Schlichtung anstreben“, erklärt die Behindertenanwältin.
Oft wird nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch der Gang zu Gericht aufgrund des vorhandenen Kostenrisikos gescheut. Dazu kommt, dass Menschen mit Behinderungen, die diskriminiert werden, vor Gericht oft nur Schadenersatzansprüche geltend machen können. Es fehlt ein Anspruch auf eine Beseitigung und Unterlassung von Diskriminierungen. „Der Diskriminierungsschutz ist daher nicht geeignet, um Diskriminierungen effektiv zu verhindern, wie es den Vorgaben der UN-Konvention entsprechen würde“, führt Behindertenanwältin Steger weiter aus. „Es braucht hier dringend eine Ergänzung. Ohne Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bleibt der Diskriminierungsschutz leider zahnlos.“
Baustelle Bildung und Arbeitsmarkt
Die Behindertenanwaltschaft berichtet darüber, dass Österreich noch enorm weit von einem inklusiven Schulsystem entfernt ist. „Österreich hält nach wie vor an einem aussondernden Schulsystem in Regelschule und Sonderschule fest. Das wurde bereits 2013 bei der ersten Staatenprüfung vom Fachausschuss in Genf stark kritisiert. Seither hat sich leider nicht viel getan“, erläutert Steger.
Auch am Arbeitsmarkt sind Menschen mit Behinderungen benachteiligt. So sind beispielsweise beim Arbeitsmarktservice gemeldete Menschen mit Behinderungen, trotz des derzeitigen Arbeitskräftemangels, etwa doppelt so lange arbeitslos wie andere arbeitslose Menschen. Die Bedingungen für den Zugang zu für die Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen essentiellen Unterstützungsangeboten, wie persönlicher Assistenz in der Freizeit, ist von deren Wohnort abhängig. Auch Mängel in der Barrierefreiheit sind nach wie vor verbreitet. In den Bauordnungen mancher Länder sind sogar mitunter Rückschritte festzustellen.
Auch im Bereich der Bundesverwaltung gibt es bei der Umsetzung der UN-Konvention Verbesserungsbedarf. So ist die Grundlage zur Feststellung von Behinderung nach wie vor nicht an der Definition aus der UN-Konvention orientiert. „Viele Menschen mit Behinderungen sind aufgrund der engen und medizinisch orientierten Definition von Behinderungen von Unterstützungsleistungen wie beispielsweise Persönliche Assistenz ausgeschlossen“, ergänzt Steger. Gerade im Bereich von behinderten Schulkindern stellt dies eine massive Hürde dar.
Die Behindertenanwaltschaft stellt abschließend fest: Zur vollständigen Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung in Österreich ist noch viel zu tun. Die politischen Entscheidungsträger:innen aller Gebietskörperschaften sind aufgefordert, die im Rahmen der Staatenprüfung thematisierten Mängel und Anregungen zu beachten und wirksame, koordinierte und schnelle Maßnahmen zu deren Verbesserung zu ergreifen.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 10.08.2023
Artikel-Kategorie(n): News, UN Behindertenrechtskonvention
Permalink: [Kurzlink]