Die niederösterreichische Regelung von maximal 82 Abwesenheitstagen in betreuten Wohneinrichtungen sorgte vor einem Jahr für mediales Aufsehen. Behindertenarbeit.at hat berichtet. In der Zwischenzeit meldeten sich auch bei uns betroffene Personen. Wir haben daher beim Land NÖ nachgefragt.
Das Land Niederösterreich hält an seiner Richtlinie fest: Maximal 82 Abwesenheitstage pro Jahr sind für Bewohner:innen von Wohneinrichtungen zugelassen – bei Fehltagen darüber hinaus wird die Förderung für den Heimbetreiber eingestellt. Wer die dadurch entstehenden Kosten zu tragen hat, ist jedoch oftmals unklar. Wie es zur konkreten Anzahl von 82 Tagen kommt, ist ebenfalls weitgehend unbekannt.
Behindertenarbeit.at kontaktierte das Büro von Landesrätin Mag. Susanne Rosenkranz, welche für den Bereich „Behindertenhilfe“ zuständig ist, um herauszufinden, was hinter der Richtlinie steckt und ob an einer verbesserten Lösung gearbeitet wird.
Regelung von 82 Abwesenheitstagen „ist nicht willkürlich“
Mag. Andreas Steindl, Pressesprecher des Büro Rosenkranz, betont, dass die Regelung nicht beliebig festgelegt wurde und dahinter bereits der Gedanke steht, dass Bewohner:innen regelmäßig Kontakt zur Familie haben können. Konkret ergeben sich die 82 Tage daraus, dass „mehrtägige Abwesenheiten für Besuche außerhalb der Wohneinrichtung jedes zweite Wochenende“ einkalkuliert sind und „die Person auch noch Gelegenheit hat, Urlaube mit der Familie zu verbringen“.
Sprich: Wenn jedes zweite Wochenende von Freitag bis Sonntag bei der Familie übernachtet wird, ergeben sich daraus 52 Abwesenheitstage, bleiben noch 30 Tage für Feiertage und Urlaube. Jedes Wochenende Familienkontakt ist mit dieser Regelung nicht möglich, ein ausgedehnter Sommerurlaub neben Oster- und Weihnachtsferien auch schwierig.
„Überförderung ist ein heikles Thema“
„Ich finde, 82 Tage sind nicht wenig“, so Steindl im Gespräch. „Man muss halt auch überlegen, ob der Platz überhaupt benötigt wird, wenn die Betreuung zuhause eh möglich ist. Vielleicht ist für andere der Platz wichtiger. Es gibt schließlich auch Personen auf der Warteliste.“
Steindl verweist in diesem Zusammenhang auch auf die rechtliche Problematik einer Überförderung und die Gefahr eines Missbrauchs von Fördergeldern. „Das Land übernimmt die Kosten schließlich für eine Leistung. Wenn diese Leistung nicht abgerufen wird, ist fraglich, ob das Geld von Nöten ist.“
Weiterverrechnung der Kosten nur mit Zustimmung des Landes möglich
Wie sieht es im konkreten Fall aus, wer muss für fehlende Fördergelder bei Überschreitung der 82 Abwesenheitstage aufkommen? Eine Antwort der niederösterreichischen Regierung: „Der betroffene Träger ist ohne Zustimmung des Landes NÖ nicht befugt, die Kosten an die Bewohner oder deren Angehörige weiter zu verrechnen. Eine Zustimmung hierzu wird nur im Ausnahmefall erteilt.“
Die Kosten sind also in erster Linie von den Heimbetreibern zu übernehmen. Große Organisationen, wie beispielsweise die Lebenshilfe NÖ, tun dies seit Jahren. Für kleinere Betriebe ist es schwieriger, derartige Kosten zu stemmen. Ob eine Weiterverrechnung an die Bewohner:innen bzw. deren Familien möglich ist, wird laut Steindl durch „Einzelfallprüfungen“ entschieden. Konkrete Kriterien gibt es hierbei nicht, die Prüfung erfolgt „sehr individuell“.
„Erfahrungswerte zeigen, dass es maximal zwei Fälle pro Jahr gibt“
Auf Nachfrage von Behindertenarbeit zu aktuellen Daten und Zahlen wurde mitgeteilt, dass es bis dato keine konkrete Aufzeichnung gibt, man müsste Daten aus der Kostenverrechnung auslesen, was sehr komplex sei. Es wurde jedoch veranlasst, dass ab sofort alle Fälle dokumentiert werden.
Pressesprecher Steindl versicherte: „Erfahrungswerte von zuständigen Personen zeigen, dass maximal 2 Fälle pro Jahr an das Land NÖ herangetragen werden und es in den letzten 5 Jahren zu keiner einzigen Einzelfallprüfung oder Weiterverrechnung an Bewohner:innen oder Angehörige kam.“ Unberücksichtigt bleiben hierbei allerdings Fälle, die von den Trägern “geschluckt” werden, derartige Fälle werden vom Land nicht registriert.
Ausgleichsfonds für Härtefälle ist für Land NÖ denkbar
Grundsätzlich erachtet die niederösterreichische Landesregierung die Thematik „nicht als großes Problem“. Dennoch zeigt sich die Regierung offen: Sollte deutlich werden, dass die Anzahl der Fälle doch höher ist als gedacht, wäre für Steindl denkbar, dass das Land NÖ beispielsweise einen Ausgleichsfond für Härtefälle einrichtet – vorausgesetzt die Abwesenheitszeiten sind nachvollziehbar und verständlich.
Wichtig sei es in jedem Fall, die Kommunikation zu verbessern, betont Steindl. Es muss klar sein, dass die Regelung von 82 Abwesenheitstagen existiert und es muss klar sein, wann die Gefahr einer Überschreitung besteht und was dann passiert. „Wir nehmen dies gerne als Anlass, um auch uns zu verbessern in der Kommunikation“, so Steindl bezugnehmend auf unsere Fragen zur Abwesenheitsregelung.
Wir bedanken uns für die freundlichen und informativen Auskünfte aus dem Büro von Landesrätin Susanne Rosenkranz.
AutorIn: Alice Bauer
Zuletzt aktualisiert am: 08.01.2024
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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