„Wir arbeiten alle gleich schwer. Meine Kollegen mit Pflegeassistenz bekommen allerdings die Entlastungswoche und wir nicht”, schreibt Sonja K. Sie arbeitet als Fachsozialbetreuerin mit UBV in einer Tagewerkstätte und hat keinen Anspruch auf die Entlastungswoche.
Bereits Ende 2022 äußerte Peter Weiss in einem Kommentar auf Behindertenarbeit.at erste Bedenken zur Entlastungswoche. Diese wurde mit Jänner 2023 als Teil der Pflegereform eingeführt. Wie der Name bereits verrät, soll die Maßnahme vor allem eines bringen: Entlastung für das geforderte Personal in Pflege- und Betreuungsberufen. Entlastung, die allen zustehen müsste, aber nicht alle bekommen. Eine ungleiche Behandlung der Berufsgruppen ist gesetzliche festgeschrieben und in der Praxis angekommen.
Viele Beschäftige im Behindertenbereich wurden „vergessen“
Konkret sollte die Entlastungswoche Mitarbeiter:innen ab dem 43. Lebensjahr eine sechste Urlaubswoche pro Jahr bringen. Tatsächlich profitieren von dieser Regelung allerdings nur jene Beschäftigten, die einen Gesundheitsberuf nach dem Gesundheits- und Pflegegesetz ausüben, sprich: eine Ausbildung als Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz oder als Diplomiertes Pflegepersonal haben. Betreuungspersonal ohne derartige Ausbildung, wie viele Fachsozialbetreuer:innen, Heimhilfen oder Psycholog:innen, gehen leer aus, auch wenn sie eine UBV-Weiterbildung absolviert haben.
„Wenn zwei Personen mit unterschiedlicher Ausbildung ein und dieselbe Arbeit verrichten, ist es nicht nachvollziehbar, dass nur eine der beiden Anspruch auf Pflegebonus und Entlastungswoche hat”, wies Silvia Igumnov, Kärntner Landesvorsitzende der Gewerkschaftsfrauen, bereits im vergangenen Jahr auf das Problem hin. Gerade in der Behindertenarbeit sind viele Mitarbeiter:innen von dieser Situation betroffen.
Entlastungswoche als Belastung für Teams
“Ich arbeite in einer Tageswerkstätte als Fachsozialbetreuerin mit UBV-Modul. Ein paar meiner Kollegen sind Fachsozialbetreuerin mit PA (Anm.: Pflegeassistenz). Wir arbeiten alle gleich schwer mit unseren Kunden und jeder hat die gleichen Kunden. Meine Kollegen mit PA bekommen allerdings die Entlastungswoche und wir mit der UBV nicht, trotz der gleich belastenden Arbeit”, so eine Mitarbeiterin über die ungleiche Behandlung, die immer wieder zu Frustration und Ärger führt. Eine Ungerechtigkeit, die auch für das Miteinander in den Betreuungsteams zur Herausforderung werden kann.
Orientierung an Ausbildung entspricht nicht Logik der Sozialwirtschaft
Im Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) ist klar geregelt, dass die “Einreihung in eine bestimmte Verwendungsgruppe […] nach der Art der Tätigkeit erfolgt”. Dies ist nachvollziehbar, da gerade im Behinderten- und Sozialbereich unterschiedlichste Ausbildungswege zum Beruf führen können und somit nicht für die Tätigkeit bzw. die Bezahlung bestimmend sein sollen.
Umso mehr verwundert, dass die Regierung bei der Entlastungswoche so stark auf die Ausbildung setzt – noch dazu ausschließlich im Pflegebereich. Denn in der Behindertenbetreuung sind nötige pflegerische Kenntnisse in der Regel über das UBV-Modul abgedeckt, weshalb Mitarbeiter:innen mit und ohne Pflegeassistenz-Ausbildung dieselben Tätigkeiten ausführen können. Eine Tatsache, die im Gesetz der Entlastungswoche völlig unberücksichtigt blieb.
Auch Berechtigte profitieren nicht immer von Zusatzurlaub
Kritik kam auch von Seiten der Gewerkschaft GPA. Denn selbst dort, wo die Entlastungswoche zur Anwendung kommt, bringt diese nicht immer den erhofften Vorteil. Wie im SWÖ-Kollektivvertrag geregelt, erhöht sich der Urlaubsanspruch für Angestellte im Sozialbereich nämlich ohnehin mit der Betriebszugehörigkeit. Haben Beschäftigte bereits mehr als fünf Wochen Urlaub pro Jahr, wird die Entlastungswoche entsprechend verringert. Spätestens ab 15-jähriger Betriebszugehörigkeit ist der Anspruch auf die sechste Urlaubswoche somit erreicht und die Entlastungswoche ohne Bedeutung.
Quellen:
Kommentar von Walter Waiss | 16.12.2022
Wird die „Entlastungswoche Pflege“ das nächste ungerechte Gesetz für den Behindertenbereich? | Walter Waiss
https://www.behindertenarbeit.at/113147
MeinBezirk.at | 11.05.2023
Scharfe Kritik an versprochener Pflegereform
https://www.meinbezirk.at/kaernten/c-lokales/scharfe-kritik-an-versprochener-pflegereform_a6042186
GPA | 2023
Pflegereform wurde nur halbherzig umgesetzt, zu viele Probleme sind weiterhin ungelöst
https://www.gpa.at/die-gpa/bundeslaender/niederoesterreich/soziale-arbeit-am-menschen-ist-mehr-als-krankenhaus-und-pensioni/pflegereform-wurde-nur-halbherzig-umgesetzt–zu-viele-probleme-s
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AutorIn: Alice Bauer
Zuletzt aktualisiert am: 03.03.2024
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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