Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen haben es in Österreich schwer, eine solide medizinische Versorgung zu erhalten. Unser Gesundheitssystem ist für besondere Bedürfnisse kaum gerüstet. Es fehlt an barrierefreien Arztpraxen, an entsprechend geschultem Personal und an der nötigen Zeit.
Mit der Botschaft “Meine Gesundheit, mein Recht” erinnert die WHO heuer am Weltgesundheitstag, dem 7. April, daran, dass gute medizinische Versorgung ein Menschenrecht ist. Doch für Menschen mit intellektuellen Behinderungen ist gute Gesundheitsversorgung keine Selbstverständlichkeit. Häufig wird ein Arztbesuch durch bestehende Barrieren – sei es in sprachlicher oder baulicher Hinsicht – unnötig erschwert. Auch braucht es vielerorts “unbedingt mehr Fachwissen auf Seiten der Ärzt:innen und geschultes Pflege- und Begleitpersonal in Spitälern, damit unnötige Krankheitsverläufe, Leid und Behandlungsverzögerungen vermieden werden“, so Bernhard Schmid, Angehöriger und Vizepräsident der Lebenshilfe Österreich.
“Menschen mit Behinderungen brauchen mehr Zeit”
Dem überlasteten Gesundheitssystem fehlt es an Personal und Zeit. Lange Wartezeiten auf einen Termin und überfüllte Warteräume sind an der Tagesordnung. Die eigentlich Untersuchung oder Behandlung beschränkt sich meist auf das Nötigste. Eine Problematik, die auch für Patienten ohne Beeinträchtigung unbefriedigend ist, für Menschen mit Lernschwierigkeiten jedoch zum Hindernis werden kann: „Gerade Menschen mit intellektuellen Behinderungen brauchen mehr Zeit, weil zuerst Ängste abgebaut und Vertrauen aufgebaut werden müssen. Oft wirken Menschen mit intellektuellen Behinderungen bei Untersuchungen oder Behandlungen nicht ausreichend mit“, betont Schmid.
Barrierefreie Sprache “sollte Teil der medizinischen Grundausbildung sein”
Die Lebenshilfe Österreich fordert neben einer angemessenen, qualitativ hochwertigen Behandlung durch Kassenärzt:innen oder in Krankenhäusern auch einen barrierefreien Zugang zu medizinischer Versorgung. Im Vordergrund steht hierbei nicht nur die bauliche Barrierefreiheit, sondern auch die Verwendung einer barrierefreien, leicht verständlichen Sprache. „Ärzt:innen sollen mit Menschen mit intellektuellen Behinderungen in einfacher Sprache und leicht verständlich sprechen. Das sollte bereits Teil der medizinischen Grundausbildung sein“, fordert Hanna Kamrat, Selbstvertreterin und Vizepräsidentin der Lebenshilfe Österreich. „Wir wollen unsere Befunde und die notwendigen Behandlungen beim Arzt verstehen, damit wir Entscheidungen über Behandlungsmethoden selbstbestimmt treffen können. Wir wollen direkt angesprochen und ernst genommen werden.“ so Kamrat weiter.
Gute medizinische Versorgung nur durch Engagement Einzelner gegeben
Insgesamt offenbart sich Österreichs Gesundheitssystem für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen als “unzureichend”. Besondere Bedürfnisse erhalten wenig Beachtung. Die Erfahrung der Lebenshilfe zeigt, dass gute medizinische Versorgung von Menschen mit intellektuellen Behinderungen meist nur aufgrund des Einsatzes einzelner Personen des medizinischen Personals existiert. „Dieses Engagement ist sehr löblich, darf aber nicht das Auffangnetz eines unzureichenden Systems sein. Das Gesundheitssystem muss so gestaltet werden, dass jeder Mensch, egal ob mit oder ohne Behinderungen, eine adäquate, zeitnahe und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bekommt“, so Christina Holmes, Referentin für Recht und Inklusionspolitik der Lebenshilfe Österreich abschließend.
Quelle:
Lebenshilfe via OTS | 05.04.2024
Lebenshilfe zum Weltgesundheitstag: Medizinische Versorgung von Menschen mit intellektuellen Behinderungen oft mangelhaft
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240405_OTS0023
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 08.04.2024
Artikel-Kategorie(n): News, Selbstbestimmtes Leben
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