Obwohl während der Corona-Pandemie europaweit Dankbarkeit für die Arbeit von Pflegekräften in Form von Applaus gezeigt wurde, hat sich hinsichtlich deren Forderungen in Bezug auf bessere Arbeitsbedingungen wenig geändert. Eine aktuelle Sonderauswertung des Arbeitsklima Index gibt Aufschluss und ortet dringenden Handlungsbedarf.
70.000 zusätzliche Pflegepersonen nötig
Gleichzeitig spielt auch der steigende Fachkräftemangel eine entscheidende Rolle: Da rund 173.000 der Pflegebeschäftigten in Österreich älter als 55 Jahre ist, und daher in den nächsten Jahren in Pension geht, fehlen dem System in naher Zukunft essenzielle Fachkräfte. Außerdem gedenkt ein Fünftel den Arbeitgeber und/oder den Job zu wechseln. Auch bei den jungen Arbeitnehmer:innen bis 35 ist ein ähnlicher Trend wahrnehmbar: 29 Prozent sagen, dass sie nicht mehr länger in ihrem jetzigen Job arbeiten möchten.
Unter Anbetracht der aktuellen Entwicklungen wird es daher in der Zukunft schwierig, die aktuelle Versorgungssituation aufrechtzuerhalten. Laut „Gesundheit Österreich“ bedarf es bis zum Jahr 2050 rund 70.000 zusätzliche Pflegepersonen.
AK-Präsident Andreas Stangl fordert daher: „Oberstes Ziel muss es sein, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Nur so kann der Arbeitskräftebedarf langfristig gedeckt werden. Außerdem muss die Pflege endlich als Schwerarbeit anerkannt werden.“
Arbeitsbedingungen als Grund für Fachkräftemangel
Vor allem psychisch belastende Arbeit wirkt sich auf die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten aus. So geben etwa 60 Prozent an, in ihrem Alltag durch diese sehr oder ziemlich stark belastet zu sein. In allen anderen Branchen sind es im Schnitt 21 Prozent. Auch der ständige Kontakt zu Schwerkranken sowie die hohe Verantwortung für Menschen belastet laut der Auswertung stark.
Gleichzeitig wird auch der Arbeitsdruck und Stress aufgrund von Personalmangel, Zeitdruck, Konflikte mit Patient:innen und Angehörigen sowie bürokratische Belastungen als treibende Kraft für erhöhte Belastung genannt. Hinzu kommt noch die körperliche Belastung durch beispielsweise das Heben schwerer Lasten.
Mehr als 40 Prozent der Pflegebeschäftigten sagen, dass es mindestens ein oder zwei Mal pro Woche vorkommt, dass sie mehr als zehn Stunden am Stück arbeiten müssen. Fast ein Viertel kann zumindest gelegentlich die gesetzlich festgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden nicht einhalten. Fast sechs von zehn Beschäftigten wollen weniger Stunden arbeiten, als sie es zuletzt getan haben. Nur elf Prozent wollen mehr Stunden arbeiten.
Dies wirkt sich klarerweise negativ auf die Gesundheit der Menschen aus: Muskelverspannungen (56%) und Rückenproblem (48%) werden dabei als am häufigsten auftretende Symptome genannt. 30 Prozent leiden unter Schlafstörungen und 36% fühlen sich matt und erschöpft.
Wichtig ist hierbei anzumerken, dass diese Zahlen weitaus höher sind als in anderen Branchen. Weiters sprechen 65 Prozent der Beschäftigten von Burnout-Fällen im Unternehmen. Im Vergleich dazu sind es rund 38 Prozent in anderen Berufen.
Viele Beschäftigte glauben, nicht bis zur Pension durchzuhalten
Aufgrund dieser Arbeitsumstände können sich immer weniger Beschäftigte vorstellen, ihren Job bis zur Pension auszuüben. Nur 38 Prozent der unter 40-Jährigen und 44 Prozent jener, die 40 oder älter sind, halten dies für wahrscheinlich. Auch hier sind die Zahlen, mit etwa zwei Drittel, in anderen Berufen höher.
Neben der eben psychischen Gesundheit der Pflegebeschäftigten als wichtiger Faktor, wenn es um Arbeitszufriedenheit geht, spielt auch das Einkommen eine große Rolle. 53 Prozent sind mit dem Einkommen zufrieden – etwas weniger als in anderen Branchen. Des Weiteren sagen 47 Prozent, dass sie mit ihrem Einkommen gut auskommen. Ein Viertel ist finanziell auf den Partner oder die Partnerin angewiesen.
Arbeitsklima-Index bringt Klarheit
Vor der Corona-Pandemie lag der Index von Pflegebeschäftigten um bis zu 5 Punkte über der durchschnittlichen Arbeitszufriedenheit der restlichen Beschäftigten in Österreich. Mittlerweise ist die Zufriedenheit jedoch massiv gesunken. Nach dem Tiefpunkt im Jahr 2022 stieg sie zwar wieder an, jedoch auf ein weitaus niedrigeres Level, als vor der Pandemie. Außerdem sind auch deutliche Unterschiede zu anderen Berufen und Branchen ersichtlich.
Arbeiterkammer formuliert konkrete Forderungen
- Bessere Arbeitsbedingungen. Dazu gehören etwa gesunde Arbeitszeit-Modelle, ausreichend Kolleg:innen in allen Bereichen und verlässliche Dienstpläne.
- Anpassung des Mindestpflegepersonalschlüssels für Pflegeheime und Krankenhäuser, aufbauend auf arbeitswissenschaftlichen Grundlagen.
- Sofortige Entlastung der Kolleg:innen durch den Einsatz von Beschäftigten in Unterstützungsberufen in hauswirtschaftlichen und administrativen Bereichen, damit die Pflegekräfte wieder mehr Zeit für die Pflege haben.
- Eine echte Ausbildungsoffensive für die Pflege inklusive arbeitsmarktpolitischer Initiativen für Ein-, Um- und Wiedereinsteiger:innen.
- Existenzsicherung während der Ausbildung, Aus- und Weiterbildungsbildungschancen für alle Berufsgruppen innerhalb der Gesundheits- und Sozialberufe.
- Anerkennung der Pflege als Schwerarbeit.
„Gegen belastenden Stress, der die Beschäftigten nachweislich krank macht, helfen nur verbesserte Arbeitsbedingungen“, fasst AK-Präsident Andreas Stangl abschließend zusammen.
AutorIn: Valentin Lengauer
Zuletzt aktualisiert am: 07.06.2024
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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