Ungeachtet der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BRK) durch die EU und 21 ihrer Mitgliedstaaten werden Menschen mit geistiger Behinderung und Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen nach wie vor diskriminiert. Die Erfahrungen mit Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Gesundheitsproblemen werden in zwei neuen Berichten der FRA dokumentiert.
Die Berichte unterstreichen die Notwendigkeit der Abkehr von einer institutionellen Unterbringung zugunsten von gemeinschaftsbasierten Wohnformen. Ebenso müssen Gesetze und politische Strategien neu formuliert werden, um die Integration voranzutreiben. Beide Berichte wurden auf einer internationalen Konferenz zu „Autonomie und Eingliederung“ am 7. und 8. Juni 2012 in Kopenhagen vorgestellt.
„Es bleibt noch viel zu tun, damit die Rechte der 80 Millionen in Europa lebenden Menschen mit Behinderungen verwirklicht werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention gibt ehrgeizige Ziele zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen vor. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Ansprüche auch in die Tat umzusetzen“, sagt Morten Kjaerum, Direktor der FRA.
„Die Untersuchungen der FRA zeigen, dass die Verwirklichung der Grundrechte von Menschen mit Behinderungen hinter den gesetzlichen Garantien zurückbleibt, insbesondere jetzt, da Sparpakete zu greifen beginnen. Die Berichte liefern die Grundlage für Diskussionen über praktische Maßnahmen, die das tägliche Leben dieser Menschen verändern können.“
1) Bericht: „Wahlfreiheit und Selbstbestimmung: das Recht auf ein eigenständiges Leben“
Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden die Erfahrungen von selbstbestimmt lebenden Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Gesundheitsproblemen in neun EU-Mitgliedstaaten beleuchtet. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass diese Menschen im Alltag häufig mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Hauptprobleme sind unter anderem:
- Gesetze und politische Maßnahmen, die es Menschen mit Behinderungen nicht gestatten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen;
- negative Einstellungen und Vorurteile, die bewirken, dass der Beitrag, den Menschen mit Behinderungen zur Gesellschaft leisten, nicht anerkannt wird;
- fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten, die zur Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung und Sozialleistungen führen.
Der Bericht zeigt, dass ein eigenständiges Leben nur dann gelingen kann, wenn die Deinstitutionalisierung mit sozialpolitischen Reformen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Beschäftigung sowie mit persönlichen Unterstützungsangeboten einhergeht. Menschen mit Behinderungen müssen in die Ausarbeitung dieser Strategien eingebunden werden.
„Die Mitarbeiter bei den Ministerien und Behörden sollten mit Menschen wie mir reden, wenn sie Gesetze und Strategien ausarbeiten. Sie sollten uns nach unseren Wünschen und Bedürfnissen fragen und unser Leben nicht noch schwieriger machen.“ (Im Rahmen der Untersuchung befragter Mann, 32 Jahre, Bulgarien)
2) Bericht: „Unfreiwillige Unterbringung und unfreiwillige Behandlung von Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen“
Der zweite FRA-Bericht hebt hervor, dass die Gesetze zur unfreiwilligen Unterbringung oder unfreiwilligen Behandlung den in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegten Grundrechten Rechnung tragen müssen. Zwar bestehen in allen EU-Mitgliedstaaten Mindestschutzgarantien, doch brachte die Feldforschung der FRA im Zusammenhang mit unfreiwilliger Unterbringung oder Behandlung überwiegend negative Erfahrungen zutage. Diese waren bedingt durch:
- Informationsmangel und unzureichende Gespräche über den Ablauf des Verfahrens und die Lage der Betroffenen in Fällen, in denen man diese hätte zu Rate ziehen können, sodass sie nicht selbst mitbestimmen konnten, was mit ihnen geschah;
- ein Gefühl der Angst und der Erniedrigung während der Behandlung.
Freiwillige Unterbringungen und Behandlungen wurden dagegen deutlich positiver bewertet.
Beide FRA-Berichte liefern eine Diskussionsgrundlage über den Schutz und die Gewährleistung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in der EU und deren Mitgliedstaaten und können diese dabei unterstützen, ihren Pflichten gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention nachzukommen.
Quelle: www.institut-fuer-menschenrechte.de
AutorIn: FRA - Agentur der Europäischen Union für Grundrechte
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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