Selbstbestimmt Leben Innsbruck stellt sich gegen Gastauftritt Peter Singers an der Uni Innsbruck
Das „Philosophische Café„ in Innsbruck lädt am 17. Juni 2014 in einer „Special Edition“ zur Diskussion mit dem Ethiker Peter Singer zum Thema „The Ethical Basis of Altruism“ (Die Ethischen Grundlagen des Altruismus) ein. Lt. deren Selbstbeschreibung wollen die GründerInnen des philosophischen Cafés Themen wie „Tod, Altern und Sterben, der Sinn oder die Sinnlosigkeit von Leid und Schmerz […]“ aus den „Elfenbeintürmen der Universitäten und des Expertentums“ herausführen, „ohne in althergebrachte und ständig wiederholte Stereotype zu versinken“.
Bekannt sind Peter Singers Aussagen zum Thema Euthanasie. Singer denkt etwa laut darüber nach, dass es unter Umständen möglich sein soll, einem Säugling das Leben zu nehmen, wenn das Leiden zu schwerwiegend sein solle. Das Recht auf Leben wird bei Singer mit dem potentiellen Empfinden von Glück bzw. Leiden in Zusammenhang gebracht.
Im Jahr 2011 hat Singer eine Ehrung der deutschen Giordano Bruno Stiftung erhalten. Der Aufschrei in der Deutschen Selbstbestimmt Leben Bewegung war groß. Mit der Aktion „Grüße von Ungewollten“ haben behinderte Menschen damals ein starkes Zeichen gegen die Philosophie Peter Singers gesetzt. (Siehe Artikel vom 29.05.2011: Rechte für Menschenaffen, Euthanasie für behinderte Säuglinge?)
In einem Vortrag am 17. Juni 2014 in Innsbruck will Singer nun zum Thema Altruismus reden. Sein neues philosophisches Gebiet scheint nun Spendensammeln und Gutes-tun zu sein. Die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung wird mit dieser Einladung Singers quasi doppelt brüskiert: Euthanasie und Mildtätigkeit – zwei für behinderte Menschen besonders sensible Themen.
In einem Offenen Brief fordert Selbstbestimmt Leben Innsbruck, diese Veranstaltung abzusagen und schreibt:
Dieser Diskurs stützt keine formulierten Menschenrechte und hat nichts mit Altruismus/Uneigennützigkeit zu tun. Es ist unmöglich ohne Berücksichtigung der Neuen Euthanasiedebatte mit Peter Singer über effektiven Altruismus, Armut, Gerechtigkeit und Engagement durch Spendensammeln/Charity zu reden, so wie es in Innsbruck jetzt geplant ist. Jenseits utilitaristischer Abwägungen zu effektivem Altruismus und Charity: Wir haben schon von „Licht ins Dunkel“ absolut genug, das uns zum Objekt von Mitleid macht.
Der Veranstalter hielt bis zuletzt am morgigen Auftritt Peter Singers fest. Die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung kündigte ihrerseits Proteste gegen die Veranstaltung an.
Downloads
[selbstbestimmt-leben.net – Offener Brief an das Philosophische Café (PDF)]
[selbstbestimmt-leben.net – Offener Brief in Leichter Sprache (PDF)]
Reaktion des philosophischen Cafés auf unsere Anfrage
Sehr geehrter Herr Stix!
Zu Ihrer Anfrage erlauben wir uns, folgende Stellungnahme zu übermitteln:
„Das Philosophische Café Innsbruck existiert seit knapp 17 Jahren und versteht sich, wie auf unserer Homepage (http://www.philocafe.at/) nachzulesen ist, explizit als „Plattform für die vorurteilsfreie, lebendige Auseinandersetzung mit Themen außerhalb der „Elfenbeintürme“ der Universitäten.“ Uns ist selbstverständlich bewusst, dass Peter Singer ein kontroverser, ja, ein umstrittener Denker ist. Aber die Kontroversen, welche sich um Peter Singer entfacht haben – und in der Regel außer Acht lassen, dass seine Großeltern (Peter Singer kommt aus einer jüdischen Familie, die aus Wien vertrieben wurde) durch das nationalsozialistische Regime ermordet wurden -, verdunkeln manchmal auch eine Vielzahl von Überlegungen, die es Wert wären, reflektiert zu werden (gerade zur Verteilungsgerechtigkeit). In diesem Sinne haben wir Peter Singer eingeladen, einen Vortrag zu halten, in dem er sich mit der philosophischen Basis des bzw. seines Verständnisses von Altruismus befasst.“
Mit freundlichen Grüßen,
Marie-Luisa Frick, Andreas Oberprantacher, Raphael Lepuschitz
18.06.2014
AutorIn: behindertenarbeit.at
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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