Die Vorsitzende des MonitoringAusschusses und Menschenrechtsexpertin, Mag.a Marianne Schulze, referierte am 16. Februar 2011 über die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Beratungszentrum equalizent. behindertenarbeit.at war dabei und hat versucht, einige wesentliche Punkte des äußerst interessanten Vortrags zusammenzufassen und hier darzulegen.
Ziele der Konvention
Ziel ist ein „voller und gleichberechtigter Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderung zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.“ Dies sollte, so mag man denken, ohnehin durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die gleiche Menschenrechte für alle vorschreibt, gewährleistet sein. Die Realität – auch in Österreich – zeige, dass dies vor allem für Menschen mit Behinderungen nicht der Fall sei, dass gerade behinderten Menschen bestimmte Menschenrechte vorenthalten würden, etwa beim Recht auf Bildung, beim Recht auf Arbeit, bei der politischen Teilhabe.
Exkurs: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Die Menschenrechtserklärung beinhaltet eine Antidiskriminierungsklausel, wonach die Menschenrechte jedem Menschen zustünden „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ Der Behinderungsbegriff scheint bei dieser Aufzählung nicht auf.
Die Menschenrechte hätten ursprünglich in Form eines Vertrags in die nationalen Gesetzgebungen der beteiligten Länder eingehen sollen, eine derartige verbindliche Einigung konnte jedoch wegen des Kalten Krieges 1946 nicht erzielt werden. Deswegen blieb es bei einer „Allgemeinen Erklärung“ und kam nicht zu einem Menschenrechtsvertrag.
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist notwendig, weil
- in den bisherigen Menschenrechtserklärungen und -verträgen behinderte Menschen „übersehen“ wurden
- es gibt das Fürsorge- bzw. Wohlfahrtsmodell
- es ist keine Frage des „Ob“ sondern eine Frage des „Wie“.
Selbstbestimmung sei das ursächliche Kernprinzip von Menschenrechten, und diese Selbstbestimmung sei besonders für Menschen mit Behinderung oft nicht gegeben.
Die Verhandlungen zur Konvention haben für die Verhältnisse der UNO nur sehr kurz gedauert, nämlich 4 Jahre, und dabei hat sich ein Konsens gebildet, dass behinderte Menschen anders dargestellt und anders einbezogen werden müssen, und dass die Selbstbestimmung selbstverständlich sein muss. Die Konvention geht dabei nicht nur auf die Theorie dieser Rechte ein, sondern auch sehr konkret auf die Umsetzung, auf die Praxis, auf das „Wie“.
Das Soziale Modell von Behinderung
Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Das soziale Modell von Behinderung legt den Schwerpunkt nicht auf die medizinischen Parameter einer Beeinträchtigung sondern auf die Barrieren in der Umwelt, die einen Menschen mit Behinderung aus der gesellschaftspolitischen Mitte ausschließen. Einstellungsbedingte Barrieren können abgeschafft werden, indem Vorurteile abgebaut werden. Um umweltbedingte Barrieren zu überwinden, braucht es Assistenz (Computer, Gebärdensprachdolmetsch, UnterstützerIn…). Das soziale Modell wird in der Konvention festgeschrieben, um wegzukommen vom medizinischen Modell.
Prinzipien der Konvention
- Inklusion
- Barrierefreiheit
- Partizipation
- Selbstbestimmung
- Diversität
Die Konvention fordert eine Inklusion in alle Lebensbereiche, d.h. dass Formen von Segregierung, z.B. Beschäftigungstherapien aber auch Sonderschulen, völlig in Frage stehen. Die Umsetzung von Inklusion bedeutet Zugang zu allen gesellschaftspolitischen Bereichen. Der Grundmodus beim Thema Arbeit etwa müsse daher das Recht auf Arbeit mit Hilfe der notwendigen Assistenz sein anstatt einer Beschäftigungstherapie.
Das Prinzip der Barrierefreiheit geht nicht nur auf den Aspekt der
- physischen Barrieren (Stufen…) ein, sondern auch auf
- die kommunikativen (Gebärdensprache…),
- die intellektuellen („Leichter Lesen“…),
- die sozialen (Bilder und Vorurteile) und
- die ökonomische Barrieren (wirtschaftliche Benachteiligung).
Das Prinzip der Partizipation schreibt vor, dass behinderte Menschen und ihre Vertretungsorganisationen verpflichtend in politische Prozesse, die sie betreffen, miteinzubeziehen sind.
Das Prinzip der Selbstbestimmung sieht eine Abkehr vom Fürsorge- und Defizitmodell vor. Dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Konvention und wird auch eigens im Artikel zu Selbstbestimmt Leben abgehandelt, wo auch das Thema Persönliche Assistenz zur Sprache kommt.
Das Prinzip der Diversität streicht hervor, dass die Vielfalt der Menschheit eine Bereicherung für alle ist.
Barrierefreie Menschenrechte
Solche Menschenrechte sind:
- politische Partizipation
- Meinungsfreiheit
- selbstbestimmt Leben
- Persönliche Assistenz
- Geschäftsfähigkeit
- Bildung
- Familienleben
- Privatsphäre
- Gesundheitsversorgung
- soziale Sicherheit
- Zugang zur Justiz
- Geheime Wahl
- Schutz vor Gewalt
- Leben
Als Beispiel steht die Sachwalterschaft zur Diskussion, da sie eine Form Fremdbestimmung ist. Ein sehr wichtiger Punkt ist auch die Bildung, da diese der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben ist.
Angesprochen wurde auch das „Recht auf Leben„. Hierbei ist anzumerken, dass mit „Recht auf Leben“ im Zusammenhang mit der UN-Konvention das Leben ab der Geburt gemeint ist; es geht nicht um das „Recht auf Leben“ wie es im Abtreibungsdiskurs verwendet wird. Recht auf Leben im menschenrechtlichen Kontext bedeutet eine Absage an die Todesstrafe, eine Absage an überschießende Polizeigewalt und in weiterer Folge die Forderung nach sozialen Maßnahmen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Tätigkeit des MonitoringAusschusses
Der MonitoringAusschuss ist ein unabhängiges Gremium zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf nationaler Ebene. Der Ausschuss ist nur für Bundesangelegenheiten zuständig.
Nach Inkraftsetzen der Konvention in Österreich 2008 wurde der MonitoringAusschuss eingesetzt. Die Mitglieder werden von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) bestellt. Es sind 7 Hauptmitglieder und 7 Ersatzmitglieder. Der Ausschuss tagt etwa alle 5 Wochen und hält auch öffentliche Sitzungen. Alle Protokolle und Stellungnahmen werden auf der Internetseite des MonitoringAusschusses online gestellt.
Es werden auch individuelle Beschwerden an den Ausschuss herangetragen, es ist jedoch schwierig, diese entsprechend zu bearbeiten, da kaum Budget und somit wenige personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Alle Ausschussmitglieder außer der Vorsitzenden arbeiten ehrenamtlich.
Links:
behindertenarbeit.at – Download: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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